Stabilbaukästen 1930 und 1931 : Auf dem Gipfel


Was geschah zwischen 1930 und 1931 mit Stabil ?

Das Jahr 1930 war sicherlich der Höhepunkt in der Firmengeschichte.
In diesem Jahr waren in der Saison 150 Leute zeitweilig beschäftigt. Der Umsatz betrug zwischen 1.000.000 und 1.500.000 RM.
Damit dürften in der Saison über 1000 Baukästen pro Tag produziert worden sein.
Nach einer Statistik über aufgefundene Kästen waren 1928 die Produktionszahlen am höchsten. 1929 machten sich dann aber schon die ersten Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise bemerkbar. Dennoch erreichte man 1930 die zweithöchsten Produktionszahlen überhaupt. Erst 1931 verzeichnete man dann einen drastischen Rückgang.
In der Firma aber hoffte man 1930 auf weitere Steigerungen und entsprechend plante und organisierte man. Den Einbruch von 1929 hoffte man Ende 1930 überwunden zu haben. In dieser Selbsteinschätzung sah sich die Firma damals. Die Weltwirtschaftskrise zeigte aber mittlerweile auch in Europa ihre verheerende Wirkung, und Ende 1931 merkte man an den Absatzzahlen dann doch, dass der Gipfel des Erfolgs überschritten war.

Im Werdegang der Firma erfolgte am 1.1.1930 - nach einigen Verzögerungen - offiziell der Umzug in die neu erworbenen Gebäude am Ende der Harzer Straße, Hausnummern 60-63. Franz Walther hatte ein wenige Jahre vorher errichtetes, nun leerstehendes Fabrikgebäude erwerben können. Dorthin siedelte die Firma jetzt um. Diesen Umzug leitete bereits Walter Walther, der Sohn von Franz Walther.

Stabilhaus
Das Bild oben zeigt das neu bezogene Fabrikgebäude im Jahre 1930 [Glöckner]. Auf dem Bild sieht man im Hintergrund links den Güterbahnhof Treptow-Neukölln. Im Vordergrund sieht man eine große Fabrikhalle, an deren Stirnseite rechts die Aufschrift STABILHAUS und Walther & Co zu erkennen ist.
Bereits 1932 wurde jedoch das Gelände rechts vom Stabilhaus bebaut. Die Aufschrift auf dem Stabilhaus wurde dadurch überdeckt.
Eine Zeichnung der Stabil-Fabrik von 1930 ziert als Reklame das hintere Deckblatt aller Vorlagenhefte mit den Druckjahren 1930 bis 1941. Die Bebauung des Nachbargrundstücks in den Jahren 1931/1932 wurde auf den Vorlagenheften allerdings nie berücksichtigt. Es gibt aber noch weitere deutliche Unterschiede zwischen dem Foto oben und den Abbildungen der Stabil-Fabrik in den Vorlagenheften.
Detailinformationen zum Grundstück und den Gebäuden sind verfügbar.

Im Stabilhaus, auf dem obigen Foto ganz vorne, befand sich rechts im ersten Stock der Bastler-Saal (siehe Foto unten), in dem - bereits ab 1.1.1930 - ganze Schulklassen sich mit dem Bau von Modellen beschäftigen konnten (Stabil- und Record-Zeitung Nr.6 und Stabil- und Record-Zeitung Nr.7).

Bastler-Saal im Stabilhaus
Man erkennt die typische Bauweise einer damaligen Fabrikhalle. Die Fenster auf der linken Seite zeigten zur Harzer Straße. (Danke an M.K. und Jürgen Kahlfeldt.)
Im Bastler-Saal gab es eine große Ausstellung von vielen interessanten Modellen, von denen teilweise noch Bilder verfügbar sind. Auch all die damaligen Schaufenstermodelle konnte man dort bewundern.
An der Decke hängt ein Flugzeugmodell der DO-X, dem damals größten Flugzeug der Welt.
In der Stabil- und Record-Zeitung Nr. 8 vom Dezember 1930 wird berichtet, dass im Bastler-Saal ein Kulturfilm vorgeführt wird, "in dem unter anderem interessante Objekte der Stabilbaukunst in Verbindung mit der Wirklichkeit gezeigt werden". Im Mai 1931 (Stabil- und Record-Zeitung Nr. 9) war der Werbefilm mit dem Titel "Wie entsteht der Stabilbaukasten" dann fertig. Er zeigt die "Entwicklung des Stabilbaukastens angefangen von der Gewinnung der Kohle und des Erzes bis zur fertigen Fabrikation". Ferner werden Aufnahmen aus dem Bastler-Saal gezeigt, wo Jungen an neuen Modellen basteln. Zum Schluss des Filmes werden Stabil-Modelle den wirklichen Maschinen gegenübergestellt. Leider ist der Film verschollen. Es gibt nur ein Bruchstück davon mit englischsprachigen Kommentaren.
In der Zeit vom 1. bis 15.Mai war der Bastler-Saal geschlossen, da in dieser Zeit dort die Wettbewerbseinsendungen ausgelegt waren. Das Preisrichterkollegium tagte in den 30er Jahren dort, um die Sieger der Stipendium-Wettbewerbe zu bestimmen. Die Bilder mit den Preisrichtern zeigen weitere interessante Modelle des Bastelsaals. Die zu den Wettbewerben eingesandten Modelle sind ebenfalls recht reizvoll.
Die Schreibweise "Bastler-Saal" ist nicht durchgängig in den Publikationen der Fa. Walther - manchmal wird auch Bastlersaal, Bastelsaal oder Stabil-Bastel-Saal geschrieben.


Vorlagenheft 53-55 von 1930 Nicht nur die räumlichen Verhältnisse der Firma Walther änderten sich im Jahr 1930. Auch das Äußere der Stabilbaukästen wurde verändert. Denn mit dem Jahr 1930 bekamen sowohl die Vorlagenhefte ein neues vorderes Deckblatt als auch die Kästen ein neues Deckelbild.
Der Austausch der Deckelbilder begann bereits Mitte 1929 und war Ende 1929 vollzogen. Bei den Vorlagenheften dauerte es länger, denn in den Kästen von 1930 fanden sich meist noch Vorlagenhefte von 1929.

Das Vorlagenheft 49-52 wurde 1930 aktualisiert, aber nicht erweitert. Einige Fehler wurden bereinigt, zusätzliche erklärende Skizzen wurden eingefügt. Im Laufe der 20er Jahre waren an einigen Teilen Änderungen ausgeführt worden, z.B. die Schraubnaben an Zahnrädchen 25 und Schnecke 32a. Diese Änderungen wurden 1930 im Vorlagenheft an den Modellen eingearbeitet, wobei zumindest Details etlicher Modelle neu zu zeichnen waren.

Eine grundlegende Überarbeitung erfuhr jedoch das Vorlagenheft 53-55 nach dem Modellbau-Wettbewerb vom Mai 1930. Die Modelle für die Kästen 54 und 55 wurden zum größten Teil durch neue Modelle ersetzt. Viele bewährte Modelle der früheren Jahre verschwanden so. Diese Aktion war die konsequente Fortsetzung der Überarbeitungen von 1929, wo die Modelle für den Kasten 53 bereits ausgetauscht worden waren.
Dieses neu entstandene Vorlagenheft wurde später nie mehr geändert. Lediglich das Deckblatt wurde beim Nachdruck im Jahre 1940 aktualisiert. Dieses nachgedruckte Heft von 1940 lag den Kästen ab 52a bis zum Ende bei.

In 1930 wurden erstmals Autoreifen (Teil 84) dem Kasten 55 beigegeben. Es erschien weiterhin der neue Elektromotor mit Stecktransformator.

Das Patent für Stabila, dem Flecht- und Bastelkasten für Mädchen, wird Anfang 1930 angemeldet und Anfang 1931 erteilt.

Anfang 1931 wurde der Kasten 48 am unteren Produktspektrum eingeführt. Nachdem alle anderen namhaften Hersteller von Metallbaukästen einen ähnlichen Schritt schon gemacht hatten, durfte auch Walther nicht mehr fehlen. Der neue Kasten 48 wurde zumindest auch in England und in Dänemark angeboten. In Dänemark wurde sogar ein noch kleinerer Kasten 47 verkauft.

In allen Kästen wurde ab Frühjahr 1931 eine Sparbüchse beigelegt, die Anreiz geben sollte, für den nächsten Ergänzungskasten zu sparen. Wie lange diese Sparbüchse den Kästen beigegeben wurde, kann nicht belegt werden, wahrscheinlich aber bis 1938. Die Sparbüchsen wurden bisher mit deutscher, englischer und französischer Beschriftung gefunden.
Wie schon 1930, so erschienen auch 1931 nur wenig neue Teile. Erwähnenswert ist die Magnet-Dampfmaschine und ein anderer Trafo für den Elektromotor.

Im Januar 1931 begann in England eine große Reklamekampagne "STABIL THE MOST INGENIOUS CONSTRUCTIONAL TOY ON THE MARKET". Als Generalvertretung konnte man die Firma E. Turner aus London gewinnen. Im August 1931 erschien in der englischen Zeitschrift THE TOY TRADER ein Artikel über die Vorteile von Stabil, sowie erneut eine Reklame "It's Going GREAT ! STABIL is proving an even bigger success than we predicted".
Es wurden, zumindest kurzfristig, auch Stabil-Baukästen in England verkauft - natürlich auch mit einem Vorlagenheft 49-52 in englischer Sprache. Dieses enthält die gleichen Modelle und die gleiche Seitenzahl, wie das entsprechende deutsche Heft von 1930. Sogar auf die Modellbau-Wettbewerbe in Berlin wird hingewiesen, an denen sich auch jeder Junge aus dem Ausland beteiligen konnte. Die Preisgelder sind in Englischen Pfund angegeben, wobei für den 1. Preis 500 Mark entsprechend 25 £ gesetzt wurden. Ein Heft für den Kasten 48 gab es 1931 ebenso in englischer Sprache.
Das Deckelbild eines Kastens 49, hergestellt am 6. Mai 1931, und das Deckblatt des Vorlagenheftes sind verfügbar.
Der Versuch, Stabil in England zu vermarkten, war offensichtlich glücklos. Es sind bisher nur ein Kasten 49 und Vorlagenhefte aus dem Jahr 1931 gefunden worden. Die übrig gebliebenen englischen Vorlagenhefte von 1931 wurden bei der Firma Walther eingelagert und kamen erst 1970, beim Ende der Baukastenherstellung, wieder an die Öffentlichkeit.

Die Geschäftskontakte nach Dänemark und zur Kaufhauskette Illum konnten 1930/31 weiterhin aufrecht erhalten werden. Es gab den in Deutschland ausgegebenen Prospekt auch in dänischer Übersetzung. Daneben hat Illum einen eigenen, etwas verkürzten Prospekt herausgegeben worden. Die dänischen Vorlagenhefte aus dieser Zeit zeigen aber immer noch das Deckblatt und das Deckelbild von 1921. Der Kasten hieß immer noch "Den lille Ingeniør".
Auch nach den Niederlanden pflegte man Kontakte. So ist ein Prospekt vom Oktober 1930 in niederländischer Sprache bekannt. Aus den dort gezeigten Modellen kann man schließen, dass die dortigen Kunden noch mit einem älteren Vorlagenheft vorlieb nehmen mussten.
Seltener hört man von Geschäftskontakten in die Schweiz. In Bern ist jedenfalls 1928 und 1934 für Stabil geworben worden. Ich danke Urs Flammer für den Hinweis.

Um 1929 versuchte die englische Firma Meccano mit ihren Metallbaukästen wieder auf den deutschen Markt zu kommen. Es wurden für die Reklame zu diesem Zweck außergewöhnlich hohe Summen ausgegeben.
In diesem Zusammenhang erschienen Ende 1931 sogar zwei Ausgaben des Meccano Magazin in Deutschland.
Meccano-Baukästen wurden von einigen deutschen Firmen verkauft. Jedoch waren die Kästen relativ teuer, der Markt war durch Stabil und Märklin gesättigt, und die Bevölkerung gab ihr Geld in jener Zeit der hohen Arbeitslosigkeit wohl kaum für teure Metallbaukästen aus.
So verschwand Meccano wieder vom deutschen Markt, wie Stabil vom englischen Markt verschwand - vielleicht sogar in gegenseitigem Einvernehmen.
Es sind auch keine deutschen Unterlagen von Meccano aus der Zeit von 1932 bis 1947 in Deutschland zu finden. Die deutsche Autarkiepolitik ab 1933 hätte ebenfalls dazu beigetragen, dass Meccano in Deutschland nicht zum Zuge hätte kommen können.
Meccano-Prospekte in deutscher Sprache aus den Jahren 1933 und später sind jedoch aus der Schweiz bekannt.

Die wirtschaftliche Situation in Deutschland war 1930 und in den darauf folgenden Jahren nicht rosig. Nach dem "Schwarzen Donnerstag", dem 24.10.1929, ging es auch in Deutschland wirtschaftlich bergab. Die Aufträge und die Kredite aus den USA blieben aus, und zunächst langsam, aber stetig, stieg die Arbeitslosigkeit.
Zwar sanken die Arbeitslosenzahlen im Sommer 1929 leicht, doch sie stiegen im Winter wieder stark an. Jedoch im Sommer des Jahres 1930 sanken die Arbeitslosenzahlen kaum mehr. Die Arbeitslosenzahlen blieben 1930 hoch und stiegen in den folgenden Jahren rasant an. Die damalige Arbeitslosenversicherung war hoffnungslos überfordert. Und wieder kehrte Not ein in Deutschland.
Die Menschen benötigten ihr Geld für andere Dinge als für Metallbaukästen. Das ist der Grund, warum so wenig Baukästen aus der Zeit von 1931 bis 1935 gefunden wurden. Weitere Hintergrundinformationen sind verfügbar.

Am 28. September 1931 verstarb Franz Walther plötzlich und unerwartet [Stabil- und Record-Zeitung Nr. 10 vom Dezember 1931 S. 2][DSZ]. Sein Tod traf die Firma hart. Wichtige Neuerungen verzögerten sich. Der für Anfang 1932 angekündigte Modellbau-Wettbewerb wurde noch durchgezogen. Danach fanden auf Jahre keine Modellbau-Wettbewerbe mehr statt.


Informationen aus Prospekten von 1930 und 1931

Im Innern des Weihnachtsprospekts von 1930 finden wir Bilder der Kästen 49 bis 51, die zeigen, wie die Patentzahnräder einsortiert waren. Sie ähneln den Bildern von 1929. Die Bilder für die Kästen 52 und 53 sind dagegen aus den Prospekten von 1921 unverändert übernommen. Ich habe diese Bilder folglich hier weggelassen. Im Prospekt von 1931 sind diese Kästen dann zu sehen. Die Bilder der anderen Stabil-Baukästen fehlen im Prospekt.

Kasten 49 von 1930 Kasten 50 von 1930 Kasten 51 von 1930
No.ModelleTeilePackung Maße in mmPreis
49128144Karton 320*175*305.00
50184200Karton 380*185*3010.00
51233353Karton 410*270*3518.00
52266508Karton 360*270*5528.00
53292760Karton 420*270*6545.00
53H292760Holz  50.00
54H 1172Holz  90.00
55H 2540Holz  155.00

Die Tabelle nennt Daten zu den Kästen aus dem Prospekt von 1930.


No.ModelleTeilePackung Maße in mmGewichtPreis
48132+20596Karton 230*165*25505g3.00
49337+128144Karton 325*175*30805g4.80
50337+184200Karton 380*190*301400g9.50
51337+233353Karton 410*275*352500g17.00
52337+266508Karton 360*270*553800g27.00
53337+292760Karton 425*275*655400g42.00
53H337+292760Holz  6300g50.00
54H337+3091172Holz 545*275*759500g88.00
55H337+3242540Holz 545*275*11015400g145.00
Die Daten rechts stammen aus einem Prospekt von 1931.

Dieser Prospekt zeigt auch das Innere der Kästen 48 bis 54.
Das Bild des Kastens 48 finden Sie bei den Kleinkästen.
Die Bilder der Kästen 49 bis 53 (siehe unten) sind jetzt endlich aktualisiert. Wahrscheinlich sahen die Kästen 52 und 53 bereits 1927 so aus, lediglich die Sparbüchse fehlte. Die dritte Pappschachtel für Schrauben im Unterkasten des 53 hat keinen Aufkleber.
Im Prospekt ist noch das Bild des Kastens 54. Es wurde unverändert aus dem Prospekt von 1921 übernommen.

Kasten 49 ab 1931 Kasten 50 ab 1931 Kasten 51 ab 1931 Kasten 52 ab 1931 Kasten 53 ab 1931 Kasten 54 ab 1921

Ausführliche Preisangaben zu den Kästen sind verfügbar.


Kästen aus der Zeit von 1930 bis 1931

Kasten 54a von 1930 Das Foto zeigt einen Kasten 54a aus der Zeit von 1930 bis etwa 1934. Der Karton enthält einen integrierten Holzrahmen. Dadurch ist dieser stabiler als beim Kasten 54a von 1929. Außerdem sind einige Fächer etwas größer. Der Kasten ist auch etwas höher, da die Autoreifen Nr. 84 für die Radkränze 21a im Jahr 1930 hinzu kamen.

Kasten 54a von 1930

Kasten 55 von etwa 1930 Links sehen Sie einen Kasten 55 mit dem neuen mahagonifarbenen Holzkasten. Die Fotos hat Burkhard Schüttler gemacht, und diese sind von mir zugeschnitten worden. Die Teile und die Schachteln für Kleinteile sind so, wie sie auf dem Dachboden eines Gutshofs gefunden wurden.

In den 30er Jahren waren die Holzkästen für die Kästen 54 und 55 größer als in den frühen 20er Jahren.
Der Holzkasten für den Kasten 54 wurde von 520*260*75mm (laut Prospekt von 1925) auf 545*275*75mm (laut Prospekt von 1931) vergrößert.
Der Holzkasten für den Kasten 55 wurde von 520*260*100mm (in 1925) auf 545*275*110mm (in 1931) vergrößert.
Die senkrechten Seiten des Unterkasten und die der Einsätze sind mittels Falz und Feder miteinander verbunden. Deckel und Boden sind aus Sperrholz. Die Holzkästen sind jetzt auch alle mahagonifarben (rötlich) lasiert und meistens lackiert.
Wann dieser Übergang auf die rötlichen Holzkästen erfolgte, ist nicht bekannt. Es wurde auch ein mahagonifarbener Kasten 54 aus den frühen 20er Jahren (der kleinere !) gefunden. Wahrscheinlich war dieser Holzkasten eine besondere Charge.

Dem gezeigten Kasten wurden die beiden Vorlagenhefte nachträglich beigelegt. Dem Kasten fehlen die Autoreifen 84, aber die Langlochflacheisen 85 und der Schraubenzieher mit Holzgriff 11a sind enthalten. Man erkennt deutlich, dass zusätzliche Teile enthalten sind, z.B. zusätzliche Kegelräder 24a, 25b und Zahnräder 25, 25a.

Ob das ein Original-55er ist oder nur ein Original-Holzkasten, der mit Ergänzungskästen aufgefüllt wurde, kann nicht ermittelt werden. Es könnte ja sein, dass bei Walther die 55er-Aufkleber für die runden Pappschachteln ausgegangen sind und man keine neuen mehr drucken wollte. Aufgrund der enthaltenen Langlochflacheisen 85 dürfte der Kasten den Jahren >=1930 zuzuordnen sein.

Die folgenden Bilder unten zeigen den Kastenboden, darunter den unteren Einsatz und darunter den oberen Einsatz. Der Kasten wurde einsortiert, wie es die Bilder in den Prospekten der frühen 20er Jahre zeigen.
Kasten 55 von etwa 1930 : Kastenboden
Kasten 55 von etwa 1930 : Einsätze


Vorlagenhefte zwischen 1930 und 1931

Den ersten Kästen des Jahres 1930 lagen noch Vorlagenhefte des Jahres 1929 bei. Erst Ende 1930 erschienen dann die Vorlagenhefte mit dem neuen vorderen Deckblatt.

Das Vorlagenheft 49-52 von 1930 ist eine korrigierte Version des Heftes von 1927. Einige Fehler wurden bereinigt, zusätzliche erklärende Skizzen wurden eingefügt. Im Laufe der 20er Jahre waren an einigen Teilen Änderungen ausgeführt worden, z.B. die Schraubnaben an Zahnrädchen 25 und Schnecke 32a. Diese Änderungen wurden 1930 im Vorlagenheft an den Modellen eingearbeitet, wobei zumindest Details etlicher Modelle neu zu zeichnen waren.
Das Heft wurde bis 1935 den Kästen unverändert beigelegt.

Für den Kasten 49 gab es ein eigenes Vorlagenheft 49, das als Teilmenge des Heftes 49-52 nur die einleitenden Seiten und die Modelle des Kastens 49 zeigte. Es wurde bis 1934 ausgegeben.

Vorlagenheft 53-55 von 1930 Klicken Sie auf das Bilder links, wenn Sie eine Vergrößerung wünschen.

Eine grundlegende Überarbeitung erfuhr das Vorlagenheft 53-55 nach dem Modellbau-Wettbewerb vom Mai 1930. Die Modelle für die Kästen 54 und 55 wurden zum größten Teil durch neue Modelle ersetzt. Diese Aktion war die konsequente Fortsetzung der Überarbeitungen von 1929, wo die Modelle für den Kasten 53 bereits ausgetauscht worden waren.
Dieses neu entstandene Vorlagenheft wurde später nie mehr geändert. Lediglich das Deckblatt wurde beim Nachdruck im Jahre 1940 aktualisiert. Dieses nachgedruckte Heft von 1940 lag den Kästen ab 52a bis zum Ende bei. Es ist als Kopie verfügbar.
Leider sind bei der Überarbeitung gerade der Stabil Vorlagenhefte 53-55 viele alte Modelle gestrichen worden. Auf diese Weise sind wesentliche Aspekte des Systems verloren gegangen. So kann aus den Vorlagenheften ab 1930 z.B. nicht mehr ermittelt werden, wozu der Förderhaken (Teil 37) dient, warum das doppelreihige Flacheisen keine abgerundeten Ecken hat und wie die Anordnung der Löcher auf dem großen Messingzahnrad 25b zustande kam.
Bei anderen Herstellern wurden die neu entwickelten Modelle zu den alten Modellen hinzugefügt. Alte Modelle gingen so nicht verloren. Dafür wurden jedoch die Vorlagenhefte dicker, was auch kein Nachteil war.

Deckblatt englisches Heft ab 1931 Wie schon bei der Historie erwähnt, wurde für Franz Walther's Versuch, seine Stabil-Baukästen in England zu vermarkten, ein Vorlagenheft 49-52 in englischer Sprache erstellt. Es zeigt ein Druckdatum 1931. Das Vorlagenheft enthält die gleichen Modelle und hat die gleiche Seitenzahl wie das entsprechende deutsche Heft von 1930.

Die meisten englisch-sprachigen Hefte kamen bei der Auflösung der Produktion von Stabil zu Tage. Sie hatten in Depots die Zeit überdauert. Viele dieser Hefte finden sich in den Chaos-Kästen aus den 70er Jahren, bei denen offensichtlich Restmaterial wahllos in Kartons gefüllt wurde und so abverkauft wurde. Stabil-Baukästen von Walther sind diese Chaos-Kästen nicht.

Ein entsprechendes Vorlagenheft 49-52 in französischer Sprache mit einer Jahresangabe 1932 ist auch bekannt.


Ausgewählte Modelle 1930 bis 1931

Beim Vorlagenheft 49-52 sind nur Korrekturen an Modellen ausgeführt worden. Ein solches aktualisiertes Modell ist der folgende Dampfkran aus Kasten 52. In früheren Vorlagenheften war ein veralteter Prototyp des Federmotors aus dem Jahr 1924 oder früher im Modell eingebaut.
Das Zahnrad 25d und das Schnurrad 5a sind mit Langmuttern 3d an den Motorachsen angebracht.
Die Achse mit dem großen Zahnrad 25e ist nach hinten verschiebbar und so kann die Verzahnung der Zahnräder 25e und 25d entkuppelt werden.
Modell von 1930 für Kasten 52


Beim Vorlagenheft 53-55 sind 1930 die Modelle für die Kästen 54 und 55 fast alle ausgetauscht worden. In den Vorlagenheften von 1927 und 1929 waren für die Kästen 54 und 55 noch die Modelle aus dem Jahr 1921 abgedruckt.
Hier finden Sie eine Auswahl der neuen Modelle dieser beiden Kästen.

Ich habe hier recht komplexe Modelle gewählt. Sie zeigen sehr viele Details. Sie können nicht kleiner dargestellt werden, sonst würde man zu wenig erkennen. Wenn Sie die Abbildungen diese Modelle ausdrucken wollen, so wählen Sie Querformat bei den breiten Bildern (aber nur bei diesen).


Das nächste Modell aus dem Kasten 54 ist eine Nachbildung der Hedley'schen Lokomotive "Puffing Billy" aus dem Jahr 1813, mit stehenden Zylindern und einer Kraftübertragung über Zahnräder auf die Achsen. Diese Lokomotive konnte seinerzeit 8-10km in der Stunde zurücklegen.
Puffing Billy aus Kasten 54
Puffing Billy aus Kasten 54
Links sehen Sie eine Skizze der Lokomotive von unten. Das Getriebe besteht aus fünf Zahnrädern : Zahnscheibe 29a, Zahnrad 25c, Zahnrad 25d, Zahnrad 25c, Zahnscheibe 29a.
Hier werden die Patentzahnräder mit den Kettenrädern kombiniert.
Das Modell zeigt auch etliche andere besondere Anwendungsmöglichkeiten der Stabil-Teile. Zudem wird hier als einziges Mal die Biegsame Welle (Teil 34c) verwendet.
Ein Foto des realisierten Modells ist auch verfügbar. In der Stabil- und Record-Zeitung Heft 7 ist das Modell erstmals aufgeführt.


Das folgende Modell aus Kasten 54 zeigt einen zeitgenössischen Abraumbagger der Firma Krupp. Solche Bagger werden verwendet, um Kies- und Sandschichten zu entfernen, die über den Braunkohleflözen liegen. Wenn dieser Bagger seine Arbeit erledigt hat, kann die Braunkohle im Tagebau gewonnen werden.

Abraumbagger aus Kasten 54 Das Fahrgestell ist 11 Loch breit, das Oberteil 9 Loch und der vordere Gurtträger 7 Loch. Die Träger a, d, e, g, l, m sind Winkeleisen.

Die folgenden Bilder zeigen Details des Abraumbaggers.
Details zu Abraumbagger aus Kasten 54
Bild 605a zeigt die sogenannte Vorkippe von der Rückseite. Wir sehen den Antrieb der Eimerkette und des Fördergurtes über die gemeinsame Antriebswelle 4i.
Bild 605d zeigt einen Schnitt durch das Baggerhaus. Darin befindet sich der Verstellmechanismus für die Vorkippe. Durch Drehen der Kurbel werden die Hebel k (9 Loch) und k1 (25+11+7 Loch) bewegt und die an Hebel k1 befindliche Vorkippe wird gehoben oder gesenkt.
Bild 605b zeigt einen Schnitt durch das Drehgestell. Das Treibrad 25c für das Drehgestell auf der Welle 4b wird durch Schneckenantrieb von der Kurbel am Fahrgestell betätigt.
Bild 605c ist ein Schnitt durch die Raupenlagerung.


Das folgende Modell ist ein Spielzeug aus Kasten 54.
Rollenspiel aus Kasten 54
Die Holzrollen werden durch die Kette auf die oberste Schiene I gehoben. Von dort rollen sie dann langsam hinab.

Man baut zuerst die Türme und die oberste Schiene. Dadurch steht der Abstand der Türme fest und man schraubt sie auf ein Brett.
Beim Bau des Modells ist darauf zu beachten, dass die Rollen auf den Schienen immer von selbst los laufen. Sie dürfen nicht eiern und nie an Schraubenköpfen oder zu hoch ragenden Winkeln anstoßen. Man nimmt als Rollen ausgesuchte Teile 31 oder 31a auf Gewindestifte 4 mit Muttern befestigt, deren Wölbung nach außen weist. Äußere Stanzkanten an den Muttern weg feilen !
Da die Rollen nur mit der dünnen Achse auf den Schienen laufen, erreichen sie trotz großer Umdrehungszahl nur eine geringe Geschwindigkeit beim Ablauf. An den Schienenenden wird die Drehung gebremst. Sie müssen selbst wieder losrollen. Damit die Schrauben die Rollen nicht behindern, stehen die Schienen schräg. Sie werden durch aufgebogene Winkel 2 und Gewindestifte 4 in Abstand gehalten. Suchen Sie passende Winkel 2 aus, damit deren einer Schenkel die Rolle nicht behindert. Als Schrauben nehmen Sie solche mit kleinem Kopf. Die Zylinderkopf-Schrauben eignen sich nicht, wohl aber die mit Köpfen in Form eines Kegelstumpfes.
Die Schienen selbst bestehen aus je 1 Paar von 49 Loch langen Flacheisen (25+25). Das Schienenpaar IV ist 53 Loch lang (25+25+5). Im kleinen Turm haben die Schienen II und IV am oberen Ende je 2 aufgebogene Winkel, die verhindern, dass die Rolle beim Umlenken herausfällt. Alle Schienen sind an den Enden etwas auseinander gebogen, um ein gutes Auffangen der Rollen zu sichern. Wenn man seine Stabil-Winkel nicht aufbiegen will, kann man auch 28 "Obtuse Angle Brackets", Teil 12c des Meccano Systems, verwenden. Beim Aufbiegen ist ein 8-kant-Eisen recht nützlich.
Das folgende linke Bild zeigt den oberen Teil der Schiene I mit den zwei gebogenen 7-Loch Flacheisen, die das Aushaken der Rolle ermöglichen. Mit einem gebogenen federnden Blech - es kann ein Teil 27 sein - erreicht man aber eine einfachere Lösung. Die beiden Ketten laufen oben über Lochscheiben 35a auf einer Achse, die in 3-Loch-Flacheisen gelagert ist. Diese Flacheisen sind an der unteren Schraube im Ring 21 innen befestigt, wobei Teile 7 oder 3d als Abstandshalter dienen können. Die Flacheisen sind so zu neigen, dass die Kette nicht zu locker läuft. Die Ketten selbst sollten neu sein und aus dem gleichen 3m-Stück stammen. Sie müssen gleich lang sein und die gleiche Gliederzahl haben.
Das rechte Bild zeigt mehrere Details aus dem unteren Teil des großen Turms. Es zeigt auch, wie die Rolle in die Haken der Kette eingehängt sein muss. Meine Kettenösen 42a wollte ich für das Modell nicht aufbiegen. Ich habe mir entsprechende Teile aus Büroklammern gebogen.
Verwenden Sie immer Achsen passender Länge, Teil 4d ist im Antriebsteil zu lang. Wenn Sie statt 25b ein 21a montieren, können Sie das Modell mit einem Kleinmotörchen über einen Gummiring gut antreiben.
Dieses Modell zeigt uns wieder einmal, wie unglaublich flexibel doch Gewindewellen beim Bau von Modellen eingesetzt werden können. Ein System, das auf Gewindewellen verzichtet, beraubt die Anwender um viele technische Möglichkeiten und Feinheiten.
Ein Foto des realisierten Modells ist auch verfügbar.

Ausrollstelle der Bahn Details zum Rollenspiel


Es folgt das Modell eines damaligen Müllautos aus Kasten 55. An den Seiten hat der Müllkessel Klappen, in die der Müll hinein geschüttet wird. Die Entladung erfolgt durch Hochstellen der Mülltrommel und Öffnen der Hinterwandklappe (siehe Abb. 702a).
Das Kippen der Mülltrommel erfolgt, indem die Kippspindel 4c durch die Spindelmutter 36 gedreht wird (Details in Abb. 702c).
Ein Foto des realisierten Modells ist auch verfügbar.
Müllauto aus Kasten 55 Fahrgestell des Müllautos

Die Vorderachse e ist ein 13-Loch Flacheisen (9+9), an deren Enden je 1 Z-Winkel 2a befestigt ist. Letzterer ist das Lager für den Achsschenkel, eine Schraube 3b mit angeschraubtem Winkel 2 (in den Skizzen nicht zu sehen). An dem Winkel ist die Vorderradachse (3b+3d) angeschraubt. Auf der Schraube 3b dreht sich das Vorderrad (84+21a+35b+7b).

Hinteransicht des Müllautos Kippmechanismus Steuerung des Müllautos


Das Modell des Riesenschwimmkrans aus Kasten 55 erschien ebenfalls in der Stabil- und Record-Zeitung Nr. 8 vom Dezember 1930. Das Foto eines realisierten Modells ist auch verfügbar.
Das Modell stellt einen 30-t-Schwimmkran der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) dar. Der reale Kran hat eine neue Ausführung des Eigenantriebs, der eine Geschwindigkeit von 8 Knoten (14.8 km/h) ermöglicht. Der Antrieb sämtlicher Komponenten ist elektrisch. Die Kraftzentrale befindet sich im Schwimmkörper und besteht aus 2 MAN-Schiffsdieselmotoren von je 350 PS. Die Ausladung des Kranes beträgt bei 30t Belastung 27.5m.
Interessant am Modell ist besonders das Stellwerk mit dem Ausleger (Abb. 708c). Durch das Stellwerk kann der Ausleger unseres Modells um 20cm verlegt werden. Die Ausladung des Stabilkrans beträgt so 40 bis 60 cm.

Die Ankerwinde (Bild 708b) befindet sich vorne auf dem Schwimmkörper. Das Stellwerk für den Ausleger (Bild 708c) ist auf dem Dach des Kranhaus (Bild 708a) angebracht. Von dort wird über den Gewindestift 4d der Ausleger gehoben oder gesenkt. Die Konstruktion mit Stellwinkeln am Ausleger sollte verbessert werden.

Der Schwimmkörper ist unten 73*25 Loch groß, oben ist er 75 Loch lang. Hinter dem Kransockel finden wir auf Teil 47 das Maschinenhaus. Die Luftschächte o (9+7+7+7) haben oben Öffnungen (22+5+22a). Der Auspuff besteht aus 23+4i+36.

Der Ausleger ist unten 13*15 Loch. Er ist mit Flachlagern 17 am Kranhaus gelagert.

Schwimmkran aus Kasten 55
Klicken Sie auf das Bild, wenn Sie eine Vergrößerung wünschen.

Kranhaus Drehscheibe und Seiltrommel

Das Modell des Funkturm Witzleben erschien auch 1930. Es wird hier nicht besprochen. Es ist aber ein Foto verfügbar.


Stabil-Teile zwischen 1930 und 1931

In 1930 wurden erstmals Autoreifen (Teil 84), passend zum kleinen Radkranz 21a, dem Kasten 55 beigegeben. Als weitere Teile erschienen das 2-teilige Schnurrad 5b, der Schraubenzieher mit Holzgriff 11a, das Langlochflacheisen 85, der Gewindestiftwinkel 86 und die Lappenschraube 87.
Die Schrauben von 15mm und 12mm Gesamtlänge erscheinen erstmals unter den Teilenummern 3e und 3f.
Teil 5b wurde offensichtlich Anfang 1930 durch eine Gebrauchsmuster-Anmeldung (DRGM) geschützt.
Es erschien weiterhin der neue Elektromotor mit Stecktransformator.

Neue Stabilteile des Jahres 1931 sind Autoreifen 84a für Flanschenräder 22, Autoreifen 84b für Schnurräder 5, die Stufenscheibe 88, der Gewindestift mit Mittellasche 89 und die Sparbüchse. Die Sparbüchse wurde Ende 1930 durch ein DRGM geschützt. Ein weiteres DRGM für die Stufenscheibe 88 und ein DRGM für wahrscheinlich den Gewindestift mit Mittellasche sind vom März 1931 bekannt.
Weiterhin erschien 1931 die Magnet-Dampfmaschine und ein anderer Trafo für den Elektromotor.


Inhaltsverzeichnis und Abbildungen der Teile

Ein Inhaltsverzeichnis der Kästen von 1930/1931 finden Sie in der Teileliste 1930, die aus den Vorlagenheften übernommen wurde. Die Informationen aus einigen aufgefundenen Kästen dieser Zeit wurden darin zusätzlich verwertet.
Gegenüber den Vorjahren gab es kaum Änderungen. Die Kästen bekamen zusätzlich einige Schrauben und Muttern hinzu und Langlochflacheisen 85 sowie der Schraubenzieher mit Holzgriff 11a wurden beigefügt.

Das Vorlagenheft 49-52 von 1930 enthält viele Korrekturen bei den Abbildungen der Teile und beim Inhaltsverzeichnis der Kästen. Bei mehreren Teilen sind die aktuell gültigen Maße eingesetzt worden, wobei auf eine ganzzahlige Millimeterangabe gerundet wurde. Die angegebenen Maße einiger Teile waren in vorherigen Vorlagenheften deutlich abweichend von den realen Abmessungen der Teile gewesen.

Ich stelle hier die Abbildungen der Teile von 1938 zur Verfügung. Die Abbildungen von 1938 sind fast gleich den Abbildungen von 1930. Alle Korrekturen aus dem Jahr 1930/31 sind darin enthalten. Es fehlen bis Ende 1931 die Teile 4e, 8a, 18b, 25g, 84a-c, 86a, 88-96.

Bitte beachten Sie, dass in den Vorlagenheften im Teil "Abbildung der Stabilteile" die Zahnstange für Patentzahnräder 20a und die Große Lochscheibe 35 immer falsch gezeichnet sind. Auch die Biegsame Welle 34c ist immer mit 2 Gewindestiften und 2 Muttern gezeichnet, die nicht zum Teil 34c selbst gehören, sondern nur dessen Anwendung zeigen.



Die Mitbewerber, insbesondere Meccano

Die deutsche Niederlassung des englischen Metallbaukasten-Herstellers Meccano war 1914, bei Beginn des ersten Weltkriegs, als Feindvermögen vom Deutschen Reich eingezogen worden. Märklin erwarb danach alle vormaligen Rechte der Firma Meccano vom Deutschen Reich.

1928 versuchte die englische Firma Meccano mit ihren Metallbaukästen wieder auf den deutschen Markt zu kommen. Meccano gab für die Reklame zu diesem Zweck außergewöhnlich hohe Summen aus.
Anfang 1929 wurde dann die "Hornby Meccano-Gesellschaft" im Handelsregister eingetragen [Wegw1929]. In diesem Zusammenhang erschien im September 1931 sogar das Meccano Magazin in Deutschland, wurde jedoch bereits mit dem zweiten Heft vom November 1931 wieder eingestellt. Das erste deutsche Heft hatte 24 Seiten, das zweite 28 Seiten. Beide kosteten jeweils 30 Pfennig.

Meccano-Baukästen wurden auch von einigen deutschen Geschäften verkauft. Jedoch waren die Kästen relativ teuer, der Markt war durch Stabil und Märklin gesättigt und die Bevölkerung gab ihr Geld in jener Zeit der Arbeitslosigkeit wohl kaum für teure Metallbaukästen aus.
Deshalb ist es mir nicht verwunderlich, dass ich keine deutschen Unterlagen von Meccano aus der Zeit von 1932 bis 1947 finden konnte. Die deutsche Autarkiepolitik ab 1933 hätte ebenfalls dazu beigetragen, Meccano vom deutschen Markt fernzuhalten.
Erst in den 50er Jahren findet man wieder ganz vereinzelt Meccano-Baukästen mit deutschen Vorlagenheften im Saarland und in Rheinland-Pfalz. In den anderen Bundesländern blieb Meccano nach dem zweiten Weltkrieg so gut wie unbekannt.

Preise der Metallbaukästen von Walther, Märklin und Meccano Ende 1931 in Deutschland

Die folgende Tabelle zeigt Ihnen die Preise der Grundkästen der Firmen Walther, Märklin und Meccano.

 -/-/00048/00/0049/0/0 50/1/151/2/252/3/353/4/4 54H/5H/5H55H/6H/6H-/-/7H
Stabil 3.004.80 9.5017.0027.0042.00 88.00145.00 
Märklin 3.004.80 9.5017.0027.0042.00 88.00145.00 
Meccano3.504.506.00 12.0018.5030.0060.00 125.00195.00560.00

Vergegenwärtigen Sie sich beim Betrachten der Preise, dass im Jahr 1931 ein Arbeiter im Monat durchschnittlich gerade mal 162 Mark verdiente bei einer Wochenarbeitszeit von 47 Stunden, am Samstag wurde auch gearbeitet. Der Stabil 55 kostete also fast einen Monatslohn.
Würde man dagegen den offiziellen statistischen "Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte" heranziehen, so hätte 2001 der Stabil 55 ca. 446 Euro kosten dürfen. Das ist deutlich weniger als ein Monatslohn. [Pies S.91,108]

Zu den Kästen Meccano 000 und Meccano 7H gibt es kein Gegenstück von Stabil oder Märklin.
Der Meccano 000 enthielt ganz wenig Teile, dafür aber einen besonderen Bogen aus Pappe, deren Ausschnitte man mit den Metallteilen verschrauben konnte.
Der Meccano 7H war ein Holzschränkchen mit mehreren Schubfächern voll mit nahezu allem an Teilen, was Meccano damals anbot - sogar ein Federmotor und ein Elektromotor waren enthalten.
Die Preise habe ich dem deutschen Meccano Magazin entnommen.

Zum Vergleichen habe ich bei den größeren Kästen nur solche in Holzverpackung angegeben. Von Stabil gab es nämlich die Kästen 54 und 55 nur in Holzverpackung.
Die verglichenen Kästen haben durchweg eine ähnliche Ausstattung und Teilevielfalt. Eine Ausnahme bildet der Märklin 6, der für den gleichen Preis zu haben war wie der Stabil 55. Der Märklin 6 enthält jedoch deutlich mehr Teile als der Stabil 55. Der Meccano 6H und der Märklin 6 wurden während der 20er Jahre immer wieder konsequent mit neu entwickelten Teilen aufgerüstet. So ist selbst der Meccano 6H am Anfang der 30er Jahre, minimal höher einzustufen als der Stabil 55. Am Anfang der 20er Jahre war der Meccano 6 deutlich unter dem Stabil 55 anzusiedeln.

Die Märklin Kästen in schwarzer Ausführung hatten die gleichen Preise, wie die entsprechenden Kästen in farbiger Ausführung.
Auffällig ist, dass die vergleichbaren Kästen von Walther und von Märklin immer die gleichen Preise haben. Als in der Mitte der 30er Jahre die Preise für die Baukästen sanken, glichen die beiden Firmen ihre Preise ebenfalls immer wieder an. (Danke an Markus Schild für die Info zu Märklin.)

Die Kästen der englischen Firma Meccano können gut mit den entsprechenden Kästen von Stabil und Märklin verglichen werden. Qualitativ sind die Meccano-Kästen ähnlich den Kästen der beiden anderen Firmen. Bei Meccano gibt es jedoch mehr Modelle in den Vorlagenheften als bei Stabil oder Märklin.
Das rechtfertigt aber keinesfalls den Preisunterschied.

Franz Walther widerspricht Hornbys Aussagen

Das Wiedererscheinen von Meccano auf dem deutschen Markt hat Franz Walther gar nicht gefallen.
Genauso wenig dürfte ihm die Reklame von Meccano gefallen haben, für die diese Firma ja enorme Summen ausgab.

Die Firma Meccano behauptete ja bei jeder Gelegenheit, ihr Gründer Frank Hornby habe das Patent auf Meccano und sei dessen Erfinder. Dann gebe es die enorm vielen Nachmacher, womit er die anderen Metallbaukasten-Hersteller meinte.
Verschwiegen wird dabei immer, dass Hornby in Deutschland kein Patent auf seinen Metallbaukasten hatte, und dass er z.B. in den USA, wo neue Erfindungen von Amts wegen auf ihre Patentwürdigkeit geprüft wurden, z.B. auf seinen Patentanspruch, den gleichmäßig gelochten Blechstreifen erfunden zu haben, eine Ablehnung bekam. Den gleichmäßig gelochten Steifen hatte sich nämlich 1888 schon Lilienthal patentieren lassen. In Ländern ohne diese amtliche Prüfung, etwa in England, bekam er jedoch sein Patent [Hobson S. 7ff].

Da Hornby geschäftlich sehr erfolgreich war, konnte er seine Ansicht über seine Erfindung auch entsprechend immer und immer wieder veröffentlichen lassen; ja die Firma Meccano zelebrierte geradezu einen Personenkult um Frank Hornby. So brachte das Meccano Magazine einen Artikel The Life Story of Meccano, in dem Hornby (oder sein Ghostwriter) schrieb, wie mühevoll die Erfindung doch gewesen sei, und welchen Erfolg seine Firma Meccano mittlerweile habe. In dem Artikel beklagt er sich aber auch über meist unfaire und gewissenlose Nachmacherei seiner Ware durch neidische Konkurrenten [Meccano Magazine 1932/1 S.7].
Hornby schreibt, nur wenige Artikel hätten sich gegen so viele Nachmachereien wehren müssen. Eines der frühesten dieser Systeme bestehe im Wesentlichen aus regelmäßig gelochtem Holz, zusammensetzbar mit Metallstiften. Man könne damit Häuser bauen, aber keine arbeitsfähigen Ingenieur-Modelle.
Darauf nennt der Artikel den ersten Satz der Patent-Beschreibung eines der ersten Nachmacher aus Deutschland, den ich hier im Original wiedergebe :
The subject of the invention is a toy building set, by means of which structures can be put up closely resembling real structures erected by carpenters. [Meccano Magazine 1932/2 S.93].

Damit ist die Katze aus dem Sack. Während man die Hinweise über das gelochte Holz noch auf Lilienthal beziehen kann, so weist der englische Satz eindeutig auf das Patent von 1903 hin, das mit dem Namen von Walter Walther angemeldet worden war. Auch schreibt Hornby, dieses Patent sei zwei Jahre nach seinem eigenen genehmigt worden.
Schwer verständlich ist die Argumentation von Hornby in dem Artikel schon. Ein Holzbaukasten für statische Modelle soll eine Nachmache von Meccano sein ?
Wollte Hornby vielleicht so auch alle Hersteller von Holzbaukästen einschüchtern und ihnen mit Patentklagen drohen ?
Es ist bemerkenswert, dass in der Übersetzung im deutschen Meccano-Magazin, Nov. 1931, S. 31 diese Absätze über die "Imitators in Europe" komplett fehlen.

Dieser immer wieder hergebeteten Behauptung, Hornby sei der Erfinder von Meccano, und andere Metallbaukasten-Hersteller seien Nachmacher, trat erstmals Franz Walther in der Stabil- und Record-Zeitung Nr. 8 vom Dezember 1930 entgegen.
Dort erschien ein Artikel, der wegen seiner Grundhaltung heute abstoßend wirkt. Der Titel lautet
"- Deutsche ! - Kauft nur deutsche Waren ! -".
Entsetzt vermerkt darin der Schreiberling des Artikels, dass es immer noch Deutsche gäbe, "die an der Einbildung kranken, dass sie durch den Einkauf ausländischer Fabrikate gebildeter und vornehmer wirkten."
Nach mehreren weiteren markigen Parolen kommt der Schreiber zu seinem eigentlichen Thema :
"Eine ausländische Firma behauptet, das Original-System des Baukastens geschaffen zu haben und gibt auch in ihren Prospekten an, das erste Patent dazu im Jahre 1901 (angeblich in England) erlangt zu haben.
Wie wir aber schon ... erklärt haben, ist  O t t o   L i l i e n t h a l  der Erfinder des Baukastens. Schon im  J a h r e   1 8 8 8  erhielt Lilienthal ein deutsches Reichspatent 'auf die Herstellung von Modellbauten aus Leisten verschiedener Länge, welche in einer gleichmäßigen Längeneinteilung vielfach gelocht sind.' Dieses Patent bestand also schon 13 Jahre vor dem angeblich ersten englischen Patent, denn die Zeitrechnung ist ja in Deutschland und England dieselbe.
Der Baukasten mit zusammensetzbaren gelochten Stäben stammt also aus Deutschland. Und hier ist es Franz Walther gewesen, der diese Ideen  a l s   e r s t e r  in die Tat umsetzte.
Somit ist der Stabil-Metallbaukasten der älteste Baukasten und verfügt auch über die größten Erfahrungen, die er sich alle zunutze gemacht hat.
Der deutsche Metallbaukasten 'Stabil' ist besser als irgend ein anderes ausländisches Fabrikat.
"

Solche nationalistischen Artikel waren seinerzeit durchaus üblich und bewirkten tatsächlich, dass die Leute daraufhin vermehrt zu den entsprechenden deutschen Marken griffen.
So anstößig diese nationalistischen Agitationen heute erscheinen mögen, so zweifelhaft einzelne Sätze des Artikels sein mögen, aber hier wird Hornbys Anspruch auf die Erfindung des Original-Systems des Metallbaukastens endlich einmal öffentlich zurechtgestutzt, wie es ja auch schon das US-Amerikanische Patentamt auf sachliche Art getan hat.

In einem Artikel zum 70 Geburtstag von Franz Walther wurde in der Stabil- und Record-Zeitung Nr. 8 vom Dezember 1930 weiterhin geschrieben :
"Immer geistig rege und schöpferisch veranlagt, gelang es ihm [Franz Walther] nach Vollendung seiner Ausbildung, sehr schnell gut bezahlte Stellungen zu finden und konnte er schon in noch recht jugendlichem Alter als Baumeister in allen Teilen Deutschlands erfolgreich arbeiten. In dieser Zeit kam er mit dem uns allen bekannten Otto Lilienthal zusammen und nahm mit diesem gemeinsam den vollständig neuen Gedanken auf, durch Verbindung einzelner gelochter Stäbe, die sich beliebig zusammensetzen ließen, ein Bauspiel zu schaffen.
Otto Lilienthal wandte sich der Fliegerei zu, während  F r a n z   W a l t h e r  den Gedanken des Bauspieles in die Tat umsetzte und in mühseliger aufreibender Arbeit den Grundstein legte zu dem heutigen Metall-Baukasten 'Stabil'. ...
"

Nun, das Lilienthal-Patent von 1888 gibt es, Lilienthals originalen Baukasten auch. Damit ist Lilienthal zweifellos der erste, der die gleichmäßig gelochten Leisten ersann.
Über eine Zusammenarbeit von Franz Walther mit Otto Lilienthal oder Gustav Lilienthal, dem eigentlichen Erfinder, ist aber nichts bekannt geworden.
Jedoch stand Gustav Lilienthal dem Stabil-Baukasten wohlwollend gegenüber. Denn seine Frau Anna Lilienthal schrieb 1930 [Lilienthal S. 92]
"Der ... Modellbaukasten, seit 1889 bereits im Handel, der aus geschäftlichen Gründen seinerzeit auf Otto Lilienthals Namen patentiert wurde, besteht aus gelochten Holzstäben verschiedenster Längen. ... Es war der erste Schritt zu einem stabilen Bauen der Kinder, zu dem Baukasten mit Eisenkonstruktionen, der durch seine Vorzüge ja auch als Stabilbaukasten in der Reihe der erfreuenden und zugleich lehrreichen Beispiele jetzt an erster Stelle steht."

Offensichtlich hat Meccano 1931 in Deutschland aufgegeben, obwohl sie auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1932 noch einmal mit einem großen Stand präsent waren. Es war ein geordneter Rückzug. Denn in den Berliner Adressbüchern 1932-1934 ist die Meccano G.m.b.H. noch gelistet unter S42 Ritterstr. 11 - nicht mehr SW68 Alte Jakobstr. 20-22 wie in 1930/31. Ebenso hat Walther in England 1931 aufgegeben. Vielleicht geschah das sogar in gegenseitigem Einvernehmen.

Hornby schreibt dazu zwar noch verächtlich :
Many of these German imitations had some vogue on the Continent before Meccano became well known there. The best that can be said of them is that they had attractive labels on the box lids. One or two of them tried to get a footing in this country, but neither the public nor the dealers would pay any attention to them, so that little was heard of them. [Meccano Magazine 1932/2 S.93]. (Mit "this country" ist England gemeint.)
Aber, dass Hornby sich selbst aus Deutschland zurückzog, verschwieg er geflissentlich. Uns, als Leser seiner Worte, hinterlässt er nur den Eindruck des überheblichen, schlechten Verlierers.

Da nun der ausländische Mitbewerber weg ist, steht bei der Firma Walther wieder das Gerangel mit dem deutschen Mitbewerber Märklin auf der Tagesordnung.

In der Stabil- und Record-Zeitung Nr. 10 vom Dezember 1931 ist dann nicht mehr die Rede von der "englischen Firma". Es wird dort geschrieben, dass schöner Nickelglanz alle Stabileinzelteile auszeichne und dass helle glänzende Farben eine freundliche lustige Wirkung bei Kindern erzielten. Von schwarzen Farben ließe sich das nicht behaupten. Es wird weiter darauf hingewiesen, dass es technisch immer noch nicht möglich sei, eine bunte Farbe haltbar auf Metall aufzutragen. Weiterhin wird befürchtet, dass bei Verwendung bunter Teile die Modelle ein farblich unharmonisches Aussehen bekämen. Zitat : "So ergibt sich also ungewollt eine den natürlichen Farbensinn des Kindes schädigende Wirkung."


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