Der Modellbaukasten des Gustav Lilienthal


Ursprung und Umfang

Gustav Lilienthal Der Modellbaukasten von Gustav Lilienthal kann als Vorläufer des Metallbaukastens, aber auch des Holzbaukastens Matador angesehen werden.

1888 ließ Gustav Lilienthal den Modellbaukasten, seine eigene Erfindung, auf dem Namen seines Bruders Otto patentieren. Er hatte gerade sein gesamtes Vermögen in einem öffentlich viel kritisierten Prozess mit F.Ad.Richter verloren.
Deshalb lieh er sich das Geld für die Patentanmeldung von seinem Bruder Otto Lilienthal, dem berühmten Flugpionier, der dann folgerichtig auch als Eigentümer des Patents von 1888 auftaucht.
Der Patentanspruch lautet:
Die Herstellung von Modellbauten aus Leisten verschiedener Länge, welche in einer gleichmäßigen Längeneintheilung vielfach gelocht sind und mittelst gerader oder gekrümmter V-förmiger Splintnadeln und dazugehöriger Keile verbunden werden, während die Flächenfüllung durch Einschieben von Platten in die an den Leisten angebrachten Nuthen bewirkt wird.

Obwohl in dem Patent Otto Lilienthal als Eigentümer der Erfindung genannt wird, wurde der Modellbaukasten allein von Gustav Lilienthal erdacht und hergestellt. [Halle S. 47]
Erst nach dem Tode von Otto Lilienthal im Jahr 1896, firmierte die Modellbaukastenfabrik unter Gustav Lilienthals Namen.

Einen guten Eindruck von dem Lilienthal-System gibt ein hier verfügbarer Prospekt, der auf 4 Seiten das gesamte Angebot beschreibt.

Der Modellbaukasten wurde in fünf Größen angeboten. Diese waren mit römischen Zahlen durchnummeriert von I bis V.
Daneben wurden auch Ergänzungskästen IA bis IVA geliefert. Ein Ergänzungskasten IA etwa erweiterte einen Kasten I zu einem Kasten II. Es gab aber auch Ergänzungskästen IB bis IIIB; wobei ein IB einen Kasten I in einen Kasten III, also in einen um zwei Stufen höheren Kasten, umwandelte.
Die "Einzelnen Theile" der Modellbaukästen wurden auch zum Verkauf angeboten.

Neben dem normalen Modellbaukasten gab es noch das Riesenspielzeug. Damit kann man die gleichen Modelle bauen, wie mit dem normalen Modellbaukasten. Dafür sind die Modelle aber wirklich groß. Während diese beim normalen Modellbaukasten etwa 20cm bis 150cm groß sind, so bietet das Riesenspielzeug Modelle so groß, dass etwa Bettgestelle und Hütten gebaut werden können, die Kinder echt selbst benützten können.
Das Bett, das man mit dem normalen Modellbaukasten für eine Puppe verwenden kann, ist beim Riesenspielzeug über einen Meter lang. In den gebauten Häuschen kann ein 6-jähriges Kind sogar aufrecht stehen.
Die Kästen des Riesenspielzeugs sind nummeriert von XI bis XV. Es gibt Ergänzungskästen wie beim normalen Modellbaukasten. Nummer XIV ist in zwei Holzkisten, Nummer XV in drei Holzkisten verpackt.
Das Riesenspielzeug war auch ausgesprochen teuer. Der kleinste Kasten XI kostete bereits 20M, während der größte normale Modellbaukasten V für 16M zu haben war. Für einen Durchschnittsbürger waren das damals sehr hohe Ausgaben.

Die Eigenschaften des Modellbaukasten beschreibt Gustav Lilienthal selbst auf einem Textblatt, das jedem Kasten beiliegt. Dieses Textblatt wurde zu zwei pdf-Dateien aufbereitet, nämlich Der Text liegt damit in einer besser lesbaren und heute gebräuchlicheren Schriftart vor. Vielen Dank dafür an M.K.

Dem Modellbaukasten fehlen noch einige Vorzüge des späteren Metallbaukastens. So gibt es noch keine Schraubbefestigung und noch keine Räder. Die Modelle sind noch statisch. Aber man erkennt schon deutlich die vielfältigen Möglichkeiten des Bauens mit gleichmäßig gelochten Leisten. Daneben enthält der Modellbaukasten schon "Täfelchen aus Lederpappe", die beim Metallbaukasten erst wieder in den 1930er als Flexible Platten eine Neuauflage erfuhren.

Mehr Informationen zu den Brüdern Otto und Gustav Lilienthal finden Sie im Lilienthal-Museum. Allein Gustavs Zeichnungen sind schon einen Besuch wert. Man findet dort auch einen Baukasten aus hölzernen Rundstäben von 1886, der als Vorläufer des Modellbaukasten angesehen werden kann.

Ich selbst besitze keinen Modellbaukasten.
Die hier angegebenen Maße habe ich teilweise der Beschreibung des Kastens II aus dem Spielzeugmuseum Nürnberg entnommen. Die übrigen Maßangaben habe ich aus den Fotos von Tobias Hötzer erschlossen. Meine Messtoleranz beim Ausmessen der Bilder liegt in fast allen Fällen unter +-2%, meistens unter +-1%. Sie ist damit besser als die Fertigungstoleranz von Lilienthals Werkstätten.


Die Kästen

Der Modellbaukasten war kein großer geschäftlicher Erfolg. Ein 8 Meter hohes Modell des Eiffelturm, das im Leipziger Cristallpalast ausgestellt war, sorgte zwar für Beachtung, konnte aber nicht verhindern, dass der Kasten schließlich verschwand. Der Modellbaukasten war wohl seiner Zeit zu weit voraus.
Das folgende Bild zeigt eine Reklame, wie man sie in damaligen Zeitungen nach 1896 finden konnte. Mein Dank geht an M.K.

Zeitgenössische Reklame
KastenIIIIIIIVV
Maße6*16*306*22*309*22*30 9*22*4212*22*42
Preis Klodt3.504.507.00 11.0016.00
Prospekt3.004.507.00 11.0016.00
Die Maße (in cm) und auch die Preise in der Tabelle rechts stammen aus dem Katalog von Klodt, 1892. Die Zeile "Prospekt" nennt die Preise aus einem undatierten Prospekt der Firma Otto Lilienthals.
Für das Riesenspielzeug nennt Klodt keine Maße und dazu die gleichen Preise wie der Prospekt von Lilienthal.

Inzwischen sind drei erhaltene Exemplare des Modellbaukastens bekannt geworden.
Vom Riesenspielzeug ist dagegen bisher kaum etwas bekannt geworden.

Ein Kasten No. II

Der hier gezeigte Kasten ist im Archiv des Spielzeugmuseums Nürnberg vorhanden. Ich danke Marion Faber und dem Spielzeugmuseum Nürnberg für ihre Hilfe und für die Erlaubnis, die dort gesammelten Daten und Bilder hier zeigen zu dürfen.

Schiebedeckel Kasten II
Kasten II

Die Teile liegen in einem Holzkistchen von 23*31*6cm, das keine innere Unterteilung aufweist. Ein Schiebedeckel mit aufgeklebtem farbigem Bild deckt ihn oben ab. Das Deckelbild nennt die Kastengröße II und zeigt einige für diesen Kasten typische Modelle.
Die Holzleisten liegen lose im Kasten. Man kann die seitlich eingefrästen Nuten für die einzuschiebenden Plättchen erkennen.
Es gehören auffällig viele Plättchen mit grau-blau-weißem Muster zum Kasten. Lilienthal empfiehlt, bei Bedarf Plättchen zurecht zu schneiden, da ausreichend viele enthalten sind.
Die metallenen Splinte sind in einer Blechschachtel untergebracht. Die Keile und die Winkel sind in Kartonschachteln enthalten.

Einen weiteren Kasten II können Sie im Lilienthal-Museum finden.

Ein Kasten No. IV

Das folgende Bild [Lingens] zeigt einen viel bespielten Kasten IV. Das Modell des Häuschens ist aus einem Modell 22 herausgenommen worden. Es gibt einen Eindruck von den Möglichkeiten des Kastens. Hier erkennt man auch die Vorteile der Füllplättchen, die ja auf beiden Seiten unterschiedlich bedruckt sind und mit denen man die Leerflächen zwischen den Stäben ausfüllen kann.
In der größeren Blechdose sind die Splinte, in der kleineren sonstige Kleinteile untergebracht.

Kasten IV

Einen weiteren Kasten IV können Sie im Lilienthal-Museum finden.

Ein gut erhaltener Kasten No. III

Kasten III

Klicken Sie auf das Bild, wenn Sie eine Vergrößerung wünschen.
Die Bilder zum Kasten III hat mir Tobias Hötzer zugesendet. Vielen Dank. Tobias ist nicht Eigentümer des Kastens.

Die Teile des Kastens sind, wie bei den anderen Kästen auch, in einem Holzkistchen mit Schiebedeckel untergebracht. Die Höhe des Holzkistchens beträgt etwa 30cm, die Breite etwa 22cm. Das Holz ist 1cm dick.
Auf dem Schiebedeckel ist ein Farbbild mit Modellen aufgeklebt. Innen im Kistchen gibt es keine Unterteilung von Fächern. Die Teile sind einfach in das Holzkistchen hineingeschlichtet.
Man erkennt auf dem Bild die runden Blechschachteln; zwei für die Splintnadeln und zwei für die Keile.
Die Winkel und Gabeln liegen in einer weißen rechteckigen Pappschachtel.
Die meisten der Plättchen sind noch umhüllt vom weißen Verpackungspapier. Viele Plättchen liegen lose im Kasten.

Rechts neben dem Holzkistchen liegen oben die fünf der im System insgesamt vorhandenen Arten von Leisten oder Stäben von 3-, 5-, 7-, 9- bzw. 11-Loch-Länge.
Darunter liegen vier Größen der Plättchen zum Füllen von Zwischenräumen zwischen Stäben. Alle sind von ihrer roten Seite gezeigt.
Rechts von den Plättchen liegen die Kleinteile. Oben sind es Splintnadeln in 5 der insgesamt 11 Größen.
Darunter liegt ein Holzkeil und ein Winkel. Darunter wiederum liegt die Gabel.
Eine genauere Beschreibung der Teile folgt unten.

Unter dem Holzkistchen liegt ein Stapel verschiedener Schriften. Zuoberst rechts ist ein kleines Heftchen ohne Deckblatt zu sehen. Es enthält alle 31 Modelle, die als Vorlagen für die Modellbaukästen entwickelt wurden. Mit dem größten Kasten kann man sie alle bauen - mit den kleineren Kästen sind es entsprechend weniger.
Unter dem Heftchen liegt ein Papierstreifen, der den Modellbaukasten beschreibt und die Art des Bauens erklärt - hier ist er in niederländischer Sprache abgefasst. Die Überschrift "De model bouwdoos" lässt sich erkennen.
Ein solcher Zettel in deutscher Sprache wird an anderer Stelle gezeigt.

Nicht sichtbar unter dem Stapel liegen noch Skizzen der Modelle, die mit diesem Kasten III erstellt werden können. Jedes Modell wird gut lesbar auf einer Seite großformatig gezeigt, wobei auch Ausschnitte vergrößert dargestellt werden. Es ist immer klar zu erkennen, wie die einzelnen Modelle zusammen zu setzen sind.
Mehr dazu erfahren Sie unten.


Die Teile des Modellbaukastens

Die im Folgenden gezeigten Bilder von Teilen habe ich alle den Fotos entnommen, die mir Tobias Hötzer hat zukommen lassen. Vielen Dank.

Leider hat Gustav Lilienthal seinen Teilen keine einheitlichen Namen gegeben. Ich wähle aus seinem Namensvorrat nach Möglichkeit den aussagekräftigsten.

Stäbe oder Leisten

Stäbe
Lassen Sie sich durch das Bild nicht täuschen. Der längste Stab ist 270mm lang. Die Breite ist immer 10mm und die Dicke immer 4.5mm. Der Lochabstand beträgt 25mm. Der Modellbaukasten ist ein metrisches System.
Die Löcher haben einen Durchmesser von 2-3mm. Sie weiten sich beim Spiel auf 3mm. Zwei Splintnadeln müssen für einige Anwendungen gleichzeitig durch ein Loch gesteckt werden.
Stab I Das Bild links zeigt die Maße eines 3-Loch-Stabes (Stab I).

Der Abstand der äußeren Löcher nach links bzw. rechts beträgt 10mm, während der Abstand der Löcher nach oben oder unten nur 5mm beträgt.
Bei einem heutigen vergleichbaren Metallbaukasten-Flacheisen wäre der Abstand der äußeren Löcher nach links bzw. nach rechts nur 5mm; also genau so groß wie der nach oben und unten.

Die bisher angegebenen Maße sind Sollwerte. Die Stäbe sind nicht mit der Genauigkeit gefertigt, die man von den Metallbaukasten-Teilen der 30er Jahre und später gewöhnt ist. Die Längen einzelner Stäbe sind teilweise um bis zu 3mm verschieden. Die Lochabstände weichen manchmal um bis zu +-1.2mm voneinander ab. Beim Verbinden der Teile durch die Splintnadeln kommt man mit diesen Toleranzen aber aus. Wenn in einem besonderen Fall einmal ein Stab nicht passt, so nimmt man eben einen anderen her.

Die gleichmäßig gelochten Stäbe gab es in Längen von 3, 5, 7, 9 oder 11 Loch. Lilienthal verwendete für sie auch die Namen Stab I bis Stab V.
Andere Längen waren in den Kästen nicht enthalten. Auf Wunsch, so bot Lilienthal an, würde er auch in anderen Längen liefern.

Stab I
3-Loch
Stab II
5-Loch
Stab III
7-Loch
Stab IV
9-Loch
Stab V
11-Loch
143322 1611
Die Tabelle rechts gibt an, wie viele Stäbe im beschriebenen Kasten III noch vorhanden sind. Ein ungefährer Vergleich mit späteren Metallbaukästen ist dadurch möglich.

Die Stäbe des Riesenspielzeugs, also die Stäbe der Kästen ab No. XI, hatten sicherlich nur in einem gleichen Maßstab vergrößerte Teile. Es wurden ja auch die gleichen Bauanleitungen und Modellvorlagen verwendet wie beim normalen Modellbaukasten.
Im Prospekt heißt es, das Bett (Fig.10) ist ausgeführt über 1 Mtr. lang. und die Schaukel Fig. 15 ist 2 Mtr. hoch. Demnach wäre der Lochabstand mindestens 9cm. Es ist aber wahrscheinlicher, dass beim Riesenspielzeug ein Lochabstand von 10cm gewählt wurde. Die anderen Maße der Teile lassen sich daraus berechnen.

Splinte oder Nadeln

Splintnadeln in 5 Größen
Schachtel mit Splintnadeln
Das obere Bild zeigt 5 Größen der Splinte, die auch Nadeln oder Splintnadeln genannt werden.
Das untere Bild erlaubt einen Blick in die verzinkte Blechdose, in der sich Splintnadeln verschiedener Größe befinden.

Das Bild oben zeigt links die Splintnadel 5, rechts die Splintnadel 1. Längere Nadeln sind auf den Bildern, die ich vom Kasten III habe, nicht zu sehen.

Lilienthal beschreibt die Splintnadeln so :
Die kleinste Nadel wird mit 1 die größte mit 10 bezeichnet, denn wenn man die kleinste Nadel durch einen Stab und die größte durch zehn Stäbe hindurch steckt, so stehen dieselben nur soweit hervor, daß man einen Keil zum festhalten hindurchschieben kann. Eine krumme Nadel wird mit 0 bezeichnet.

Splintnadeln 2 und 3
Mit Splintnadel 2 verbindet man also zwei Stäbe miteinander. Mit Splintnadel 3 verbindet man drei Stäbe miteinander. (Verbindung in der Mitte)

Auf Grund der mir vorliegenden Bilder habe ich die Splintnadel 2 auf etwa eine Länge von 17mm über alles eingeschätzt. Jede größere Nadel dürfte um 5mm länger sein als die vorherige.
Die Nadeln wurden aus Draht von ca. 0.75mm Durchmesser hergestellt.

Splintnadel 1 und 2 Die Splintnadel 1 hat mehrere Funktionen. Es ist die kleinste von knapp 14mm Länge. Man kann damit beispielsweise ein dünnes Blech, wie den Winkel oder die Gabel, an einem Stab befestigen.

Aber auch für andere Zwecke kann man die Splintnadel 1 nehmen. Im linken Teilbild gehen zwei Splintnadeln 1 an der Innenseite durcheinander hindurch und werden durch einen Keil befestigt. Auf diese Art entsteht ein Winkelträger.

Das rechte Teilbild zeigt, wie man einen Stab senkrecht auf einem anderen anbringt. Von unten wird eine Splintnadel 2 durch den waagerechten Stab gesteckt. Dessen Öse wird dann mit einer Splintnadel 1 am senkrechten Stab festgekeilt.

Neben den geraden Splintnadeln gibt es noch die Krumme Nadel, Lilienthal gab ihr die Nummer 0. Es handelt sich dabei vermutlich um eine zu einem Viertelkreis gebogene Splintnadel 3 oder 4. Sie wird beispielsweise verwendet zum Befestigen der Dachsparren am Häuschen.
Weitere Einzelheiten finden Sie bei den Grundformen.

Keile

Keile in Blechdose Das Bild zeigt eine verzinkte Blechschachtel (55mm Ø) mit Keilen. Man erkennt leicht, dass die Keile nicht alle gleich aussehen.

Aufgrund des Bildes wurden folgende Maße geschätzt:
Dicke der Keile 0.8 bis 1.1mm; Länge der Keile 23 bis 27mm;
Keilbreite am schmalen Ende 3 bis 4.2mm; Keilbreite am weiten Ende 8 bis 9mm.

Es wurde für die Keile ein anderes Holz verwendet als für die Stäbe. Bei den Keilen vermute ich Kiefernholz, bei den Stäben Buchenholz.

Winkel und Gabel

Gabel, Winkel, Krumme Nadel Winkel und Gabel
Das Bild oben zeigt Winkel und Gabel.

Die beiden Teile sind wahrscheinlich aus Nickel-plattiertem Blech hergestellt. Sie wurden mit einer Maßtoleranz von etwas über +-2% gefertigt.
Ursache für die Maßabweichungen ist eindeutig die handwerkliche Fertigung in einer Kleinwerkstätte. Die Teile zeigen Feil- und Bohrspuren.

Der Winkel erinnert an ein gleichschenklig-rechtwinkliges Dreieck, bei dem man die rechtwinklige Spitze abgeschnitten hat. Bereits im Patent ist der Winkel in der hier gezeigten Form angegeben.
Die Löcher sollten einen Abstand von 35.355mm haben. Ich habe aus den Bildern Lochabstände von 34.5 bis 36.1mm ermittelt. Die Höhe ist etwa 19mm, die Gesamtbreite etwa 45mm. Die Löcher haben einen Durchmesser von 3.0-3.3mm.

Die Gabel wird als Halter für den Firsträhm (oberster waagerechter Balken des Hauses) verwendet. In der Patentschrift ist sie noch mit 4 Löchern gezeichnet.
Die Löcher sollten einen Abstand von 12.5mm haben. Das mittlere Loch zeigt aber in jedem Teil immer eine erkennbare Abweichung um etwa 0.8mm Richtung Gabelöffnung. Dies dürfte an einem Fehler der verwendeten Bohrlehre gelegen haben.
Die Gesamtlänge der Gabel ist etwa 74mm. Die Breite ist 10mm, an der Öffnung sind es 15mm. Die Gabelöffnung ist 9mm tief und 4.5-5mm breit. Die Löcher haben einen Durchmesser von 3.0mm.

Im beschriebenen Kasten III sind 11 Winkel und 4 Gabeln enthalten.

Das Bild rechts zeigt die Anwendung von Winkel, Gabel und Krummer Splintnadel am Modell eines Hauses. Da die Verbindung der Teile durch die Splintnadeln nie ganz fest ist, braucht man die Winkel zur Verstrebung der Ecken.
Im obersten Balken, dem Firsträhm, erkennt man, dass durch jeweils ein Loch von beiden Seiten eine Krumme Splintnadel gesteckt wurde. An jeder dieser beiden Krummen Splintnadeln wird ein Sparren verkeilt.

Füllplatten

Schmale Füllplatten Breite Füllplatten Lilienthal nennt die Teile Platten oder Täfelchen. Sie sind auf beiden Seiten unterschiedlich bedruckt. Als Material wird Lederpappe angegeben.
Beim Riesenspielzeug werden die Platten als Cartons bezeichnet.

Die rote Seite der Platte kann für ein Ziegeldach benützt werden, die beige für eine Hauswand. In einem Kasten haben alle Platten nur diese zwei Muster.
Bei einem anderen Kasten kann das Paar von Mustern jedoch abweichen. So sind beim oben beschriebenen Kasten IV die roten Seiten mit einem Karo-Muster versehen, während die beigen Seiten dort schon bräunlich wirken.

Die Platten sollen in die Längsnuten zweier nebeneinander montierter Stäbe geschoben werden. Siehe Dach beim Modell des Kasten IV.
Sind zwei Stäbe im Abstand von 25mm (ein Lochabstand) montiert, so kann nur eine schmale Platte (linkes Bild) dazwischen eingeschoben werden. Diese Platten sind etwa 17mm breit.
Die längeren dieser Platten sind etwa 91mm lang. Die kürzeren Platten sind etwa 41mm lang - sie können auch quer zwischen Stäbe geschoben werden, die zwei Lochabstände voneinander entfernt sind.

Sind die zwei Stäbe im Abstand von 50mm (zwei Lochabstände) nebeneinander montiert, so schiebt man gewöhnlich eine breite Platte (rechtes Bild) dazwischen. Diese Platten sind etwa 42mm breit.
Die längeren Platten sind etwa 91mm lang. Die kürzeren Platten sind etwa 46mm lang - letztere sind also nicht quadratisch.

Schmale PlattenBreite Platten
kurzlangkurzlang
50306060
Bisher sind nur die gezeigten vier Größen der Platten bekannt geworden. In den Kästen sind davon ausreichend viele Platten vorhanden. Die Tabelle rechts gibt an, wie viele Platten im beschriebenen Kasten III wahrscheinlich enthalten waren. Sie sind in Papierhüllen von je 10 Stück im neuwertigen Kasten gebündelt. In linken Bild sind die langen schmalen Platten noch in der teilweise geöffneten Umhüllung zu sehen.

Lilienthal empfahl, die Platten bei Bedarf mit der Schere zurecht zu schneiden, da im Kasten ausreichend viele enthalten seien.


Bauen mit dem Modellbaukasten

Wenn man mit dem Kasten bauen will, so muss man sich zunächst mit den Teilen vertraut machen. Man muss lernen, wie die Teile zu verbinden sind und wie sie aufeinander wirken.
Bei den späteren Metallbaukästen wurden für diese Zwecke die Grundformen auf den ersten Seiten der Bauanleitungshefte gezeichnet und erklärt. Die Hersteller greifen dabei auf Lilienthals Ideen zurück.

Beim Modellbaukasten sind alle Grundformen auf einem Papierbogen dargestellt und durchnummeriert. Dieser Papierbogen und auch eine Erklärung dazu liegt jedem einzelnen Kasten bei. Beim beschriebenen Kasten III hat der Bogen etwa die Maße 260*196mm. Klicken Sie auf das folgende Bild des Papierbogens, wenn Sie eine Vergrößerung wünschen.

Grundformen

Die Beschreibung der einzelnen Grundformen - sie sind auf dem Bild alle nummeriert - erfolgt dann auf einem Zettel mit der Überschrift Erklärung des Modellbaukastens - hier allerdings in heutiger Schriftart dargestellt.Öffnen Sie die "Erklärung" am besten in einem eigenen Fenster.
Einige der Grundformen sind bereits bei den Splintnadeln beschrieben.

Die Verbindung der Teile mit Splintnadeln ist nicht zu vergleichen mit der Befestigung mit Schrauben und Muttern beim Metallbaukasten. Bei den Splintnadeln ist immer eine zusätzliche Versteifung nötig. Das kann etwa durch den Winkel erfolgen.
Insbesondere sind die Grundformen 3-6 für eine senkrechte Verbindung zusätzlich zu verstreben. Bei Grundform 9 kann der linke Stab sogar drehbar sein.


Die Modelle

KastenIIIIIIIVV
Modelle1217212531
Gerade einmal 31 Modelle hat Lilienthal für seinen Modellbaukasten zusammen gefasst. Jedem Kasten liegt ein kleines 16-seitiges Heftchen von 94*130mm bei, das alle diese Modelle zeigt. Es soll wohl den Kunden Anreiz geben, später einmal den nächsten Ergänzungskasten zu erwerben.
Da dieses Heftchen alle Modelle zeigt und zumindest für die einfacheren Modelle durchaus als Bauanleitung hergenommen werden kann, habe ich es zur Verfügung gestellt.

Außer dem gerade genannten Heftchen liegen einem Kasten für jedes Modell, das man damit erstellen kann, ein oder mehrere größere Papierbögen bei. Diese zeigen sehr deutlich den Aufbau des betreffenden Modells, manchmal anhand mehrerer Bilder. Die Bögen können etwa 196*140mm sein - insbesondere bei den kleinen Modellen. Es gibt auch Bögen von etwa 196*260mm, welche komplexere Modelle darstellen.
Lilienthal betont, dass die Bilder aus Fotografien echter Modelle entstanden sind.

Leider liegen mir nur die Papierbögen für die Kästen bis III als Fotos vor, die mir Tobias Hötzer zukommen ließ. Ansonsten habe ich von M.K. noch Fotokopien, die den Bauplan der Windmühle zeigen. Beiden mein herzlicher Dank.
Da ich fast keine genauen Modellpläne der Kästen IV und V vorliegen habe, zeige ich hier nur eine Auswahl von Modellen in der genaueren Darstellung.
Weitere Papierbögen dieser Art können Sie im Lilienthal-Museum finden.

Modell 18 : Schaukel

Das Modell kann mit dem Kasten III gebaut werden. Zwei Puppen können darin schaukeln.
Wenn die Schaukel mit dem Riesenspielzeug gebaut wird, so dürfte die Höhe über 2m sein. Eine Höhe von 2m gibt Lilienthal ja auch für Modell 15 des Riesenspielzeugs an, wovon ein Bild im Lilienthal-Museum zu finden ist. Modell 15 ist ebenfalls eine Schaukel. Ich selbst bezweifle jedoch, dass das Modell die erforderliche Stabilität besitzt, dass ein Kind darin schaukeln könnte.

Schaukel, Modell 18 für Kasten III

Modell 19 : Haus

Das Modell kann mit dem Kasten III gebaut werden. Wird es mit dem Riesenspielzeug Kasten XIII gebaut, kann darin ein 6jähriges Kind bequem stehen. Siehe Bild im Lilienthal-Museum.
Haus, Modell 19 für Kasten III

Die Modellvorlage zeigt keine Füllplatten. Dadurch kann man die innere Struktur das Modells klar erkennen. Zum Modell gibt es noch einen losen Zettel der den Innenaufbau anhand des Grundrisses etwas verdeutlicht.
Haus, Grundriss

Modell 21 : Taubenhaus


Das Modell kann mit dem Kasten III gebaut werden. Es ist 75cm hoch.
Klicken Sie auf das folgende Bild, wenn Sie eine Vergrößerung wünschen.

Taubenhaus, Modell 21 für Kasten III

Die Modellvorlage zeigt die Füllplatten nicht. Dadurch kann man die innere Struktur das Modells klar erkennen. Die beiden Zeichnungen 21a und 21b zeigen Einzelheiten des Aufbaus, insbesondere des Ständers. Sie fehlen im kleinen Heftchen der 31 Modelle.
Die römischen Zahlen in Bild 21b kennzeichnen die Stablänge. Stab I ist 3 Loch lang, Stab V ist 11 Loch lang.

Modell 30 : Die Windmühle

Das Modell kann mit dem Kasten V gebaut werden. Es ist etwa 1m hoch und wohl das anspruchsvollste Modell des gesamten Systems. Die Windmühle ist auch das einzige Modell, bei dem sich etwas dreht, nämlich der Rotor mit den vier Flügeln. Der Obergebäude ist jedoch fest auf dem Hausbaum montiert. Es ist nicht drehbar, wie es bei einer ordentliche Deutschen Windmühle der Fall wäre.

Klicken Sie auf das folgende Bild, wenn Sie eine Vergrößerung wünschen.

Windmühle, Modell 30 für Kasten V

Ein genaues Bild vom Aufbau des Hausbaumes und vom Zusammensetzen des Obergebäudes ist als eine vergrößerte Seite verfügbar. Dazu gibt es von Hausbaum und Obergebäude noch eine Grundrisszeichnung.

Lagerung des Rotors
Von besonderem Interesse ist die Lagerung des Rotors, der die Windflügel trägt. Das Bild oben zeigt einen waagerechten Schnitt durch das Modell auf der Höhe der Rotorachse. Es gibt vom Bild auch eine Vergrößerung.
Das Bild zeigt unten den Rotor, aus dessen Mitte die Radachse nach oben führt. Als Radachse wird eine Splintnadel 10 verwendet, die oben entsprechend Grundform 9 zwischen zwei 3-Loch-Stäben gehalten wird. Die beiden 3-Loch-Stäbe werden außen zwischen 7-Loch-Stäben eingekeilt.

Eine Splintnadel ist nun keine ideale Achse für den Rotor. Unter dem Gewicht des Rotors wird sie unweigerlich nach unten gebogen, und der Rotor steht schief. Da ich nun keinen Kasten V kenne, habe ich mir folgende Möglichkeiten ausgedacht, dem Problem beizukommen.
Wählt man Nagel oder Holzschraube, so müssen diese zur Montage des Rotors entfernt und wieder eingesetzt werden können.
Im letzten Fall, dem mit der glatten Achse, kann die Achse verklebt werden. Man baut dieses Sonderteil anstelle der beiden 3-Loch-Stäbe ein. Man muss den Rotor dann nur aufstecken und noch mit einem festklemmbaren Stellring oder mit einer besonderen Klammer sichern, damit er nicht herabfallen kann.
Ich meine, Gustav Lilienthal hätte diese letztere Lösung bevorzugt.

Danksagung

Ich danke Tobias Hötzer für die Überlassung der vielen Fotos und für seine hilfreichen Hinweise.
M.K. schulde ich Dank für die vielen Kopien, die er mir im Laufe vieler Jahre zum Lilienthal-Baukasten zugesendet hat. Er ist ein immer hilfsbereiter Ansprechpartner.
Ich danke weiterhin dem Nürnberger Spielzeugmuseum und Marion Faber für tatkräftige Unterstützung.
Otto Hahn und Jürgen Kahlfeldt haben mir in einigen wichtigen Fragen Quellenmaterial geliefert und Fragen beantwortet, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin.

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