Das Stabilhaus

Stabilhaus 1930
Das Bild oben zeigt ein Foto der Stabil-Fabrik aus dem Jahre 1930 [Glöckner]. Wenn Sie ein größeres Bild sehen wollen, so klicken Sie bitte auf das Bild.

Jürgen Kahlfeldt hat anhand alter Stadtpläne, alter Adressbücher und eines Luftbildes die Lage des Grundstücks nachweisen können.
Das Gebäude lag demnach am Ende der Harzer Straße, die im Bild vor dem Gebäude entlang verlief und auf der linken Seite des Bildes in die Teupitzer Straße mündet. Der Hauptzugang zum Grundstück erfolgte von der Teupitzer Straße. Das Straßenstück vor dem Gebäude war offensichtlich nicht asphaltiert - es war festgetretene Erde. Die Straßen hatten keine Gehsteige.
Das Grundstück war von einem Zaun umgeben. Die hinter dem Grundstück (im Bild rechts) erkennbaren Aufbauten mit heller dachartiger Abdeckung wurden 1930/1931 entfernt. Wahrscheinlich handelte es sich um gelagertes Holz. Später wurden dort Nebengebäude errichtet.

Bisherige Nachforschungen ergaben, dass das Grundstück entlang der Harzer Straße 69.2m lang war; nach hinten waren es etwa 37m. Die Fläche war damit ungefähr 2560m². Das Stabilhaus, der zweistöckige Bau vorne im Bild, war 33.5m lang (an der Harzer Straße) und 15.5m breit (Toleranz +-0.5m).

Die große Aufschrift STABILHAUS dürfte man 1930 schon von Weitem sehen können, wenn man sich vom Beginn der Harzer Straße her näherte.
Um 1932 wurde jedoch das Grundstück rechts vom Stabilhaus mit Wohnhäusern bebaut, die mindestens ein Stockwerk höher waren als das Stabilhaus. Die große Aufschrift am Stabilhaus wurde dabei zwangsläufig überdeckt.

Das Stabilhaus ist nach diesen Bildern der vordere Bau mit einem Stockwerk über dem Erdgeschoss. Im Erdgeschoss befand sich wahrscheinlich der Bastler-Saal. Nur im Stabilhaus war genug Raum, um eine ganze Schulklasse unterbringen zu können.
Die Fotos vom Bastelsaal vermitteln zudem den Eindruck, dass es sich, von den Räumlichkeiten her, eher um eine Produktionshalle einer Fabrik handelte als um einen Ausstellungs- oder Schulungsraum.

Jürgen Kahlfeldt hat anhand alter Berliner Adressbücher einige Informationen zum Gebäude herausfinden können. Bevor die Firma Walther das Gelände erworben hatte, war dessen Adresse die Teupitzer Straße 64-65. Dort war ein Fabrikgebäude des damals renommierten Einrichtungshauses Jordan & Hartmann. Nach Angaben aus dem Berliner Adressbuch war es eine Möbelfabrik. Es könnte aber auch eine Parkettfabrik gewesen sein. Das Gebäude wurde irgendwann zwischen 1924 und 1925 errichtet. Vor 1924 war das Gelände nicht bebaut.
In Folge des späteren Niedergangs von Jordan & Hartmann wurde die Fabrik verkauft an Walther & Co. Das Gelände stand der Firma Walther & Co schon im Frühjahr 1929 zur Verfügung, denn der Modellbau-Wettbewerb von 1929 fand bereits dort statt. Wahrscheinlich wurde sogar schon der erste Stabil-Stipendien-Wettbewerb von 1928 dort ausgetragen. In der Stabil- und Record-Zeitung Nr. 1 ist nämlich von einer leerstehenden großen Fabrik die Rede, in der die eingereichten Modelle begutachtet wurden.

Walther führte nach dem Erwerb noch einige Umbauten aus und fügte Nebengebäude hinzu. Außerdem bekam das Gelände die neue Adresse "Harzerstraße 60-63". Man wollte offensichtlich nicht die Adresse des Vorbesitzers übernehmen.


Offensichtlich stimmen die von der Fa. Walther veröffentlichten Bilder der Stabil-Fabrik nicht so recht mit dem Foto oben überein.
Dass die Schrift auf dem Stabilhaus schon ab 1932 durch neu errichtete Wohnhäuser auf dem Nachbargrundstück rechts vollkommen verdeckt war, wurde ebenfalls nie bekanntgegeben.
Alle Bilder erwecken den Eindruck als ob das Gelände nach hinten wesentlich tiefer wäre als es in Wirklichkeit war. Die Vorderfront war 69.2m lang. Nach hinten war des Gelände aber nur etwa 37m tief.

Stabilhaus Eine Zeichnung der Stabilfabrik (Bild links) ziert die Rückseite aller Vorlagenhefte mit den Druckjahren 1930 bis 1941.
Auf der Zeichnung erkennt man im Hintergrund links den Güterbahnhof Treptow-Neukölln. Mit einer Lupe kann man auf vielen Vorlagenheften sogar das entsprechende Schild entziffern.
M.K. hat das Bild computergrafisch aufbereitet, die Details zum Güterbahnhof Neukölln-Treptow herausgearbeitet und das Ganze noch um ein Foto von Oben ergänzt. Das aufgearbeitete Bild ist verfügbar.

Im Vordergrund der Zeichnung sieht man das Stabilhaus.
Beim Abzählen der Fenster an der Frontseite, bei den Dachfenstern und bei den umgebenden Nebengebäuden kann man deutliche Unterschiede gegenüber dem Foto oben feststellen. Die Passanten auf dem Bild sind alle viel zu klein dargestellt.
Das Stabilhaus ist hier offensichtlich übertrieben groß gezeichnet und entspricht so nicht der Wirklichkeit.
Jedoch ist der mehrgeschossige Bau, hinten rechts im Bild, zumindest in der Höhe weitgehend authentisch. Die Gebäude an der hinteren Seite des Grundstücks wurden Anfang der 30er Jahre errichtet, gehörten also noch nicht zum vormaligen Fabrikgebäude.

Stabilhaus anders Das Bild links zeigt ebenfalls die Stabilfabrik. Es stammt aus der Stabil-und Record-Zeitung Nr. 7 vom Mai 1930. M.K. hat es aufgearbeitet. Eine Vergrößerung ist verfügbar.
Das Bild macht den Eindruck, als ob es sich hier eher um ein Bild von einem Planungsmodell eines Architekten handelt als um eine Darstellung der realen Firma. Es unterscheidet sich vom Foto oben und von der Zeichnung darunter in einigen Details. Jedoch sind hier die Fenster an der Vorderfront korrekt abgezählt. Das Grundstück ist aber auch hier in der Tiefe etwas zu groß dargestellt. Das 2-geschossige Gebäude hinten rechts war in seiner endgültigen Form in diesem frühen Modell aber noch nicht festgehalten.
Dennoch stellt dieses Architekturmodell die Fabrik noch am genauesten dar.
Es wurde später auch auf der Rückseite von Vorlagenheften für den Kasten 46/Knirps2 von 1940 gefunden.

Aus dem Nachlass des letzten Besitzers von Walther & Co habe ich nun weitere Fotos bekommen. Das Bild unten zeigt die Firma von hinten. Es stammt aus der frühen Zeit, vermutlich um 1931.

Stabilhaus von hinten
Links, dort wo das Automobil steht, geht es zum großen Tor in die Harzer Straße und zum ersten unteren Fenster. Im ersten Stock darüber erkennt man durch das Fenster Modelle des Bastler-Saals : Den oberen Teil eines Förderturms und ein Stück einer Bogenbrücke.
Rechts neben dem Automobil ist ein Treppenhaus mit den zwei weißen Türen.
Auf der rechten Seite des Bildes befindet sich der Querbau mit Schornstein, der auch auf dem Architekturmodell (vorheriges Bild) klar zu erkennen ist. Vom Schornstein wird das Ende des Stabilhauses verdeckt. Der kleinere Schornstein dahinter ist auf den anderen Bildern auch zu sehen und mag zur Orientierung in den anderen Bildern dienen.
Der Holzzaun im Vordergrund des Bildes ist auf dem ersten Bild oben auch zu sehen. Er trennte vermutlich das Holzlager von der Fabrik ab. Der Fotograf stand wohl auf einem der hinter dem Zaun gelagerten Holzstapel. Später, nachdem alles Holz weggeschafft war, hat man dort Nebengebäude errichtet.

Nach 1943 war kein Bild der Stabilfabrik mehr auf den Rückseiten der neuen Vorlagenhefte 49-52 abgebildet. Denn am 22. November 1943 wurde die Stabilfabrik bei einem Bombenangriff total zerstört.

Stabilfabrik zerstört

Der Standort des Fotografen ist bei diesem Bild in der Harzer Straße, aber etwas näher zur Teupitzer Straße hin. Rechts hinten sieht man ein hohes, weniger beschädigtes Gebäude. Es ist das Gebäude, das 1932 errichtet wurde und die große Aufschrift "STABILHAUS" zudeckte. Man erkennt davor noch die Mauer des Stabilhauses, die das Dach trug. Man erkennt noch die Pfeiler, zwischen denen im Obergeschoss drei Fenster Platz hatten. Die weiteren Pfeiler sind eingestürzt, die Decke hängt herab. Links hinten erkennt man die weniger beschädigten Anbauten, die nach dem Wegschaffen des Holzlagers dort errichtet worden waren.
Auf der linken Seite des Bildes erkennt man den großen Schornstein. Vom zugehörigen Querbau ist nur eine Wand zerstört. Das Dach ist beschädigt.

Bebauungsplan 1959 Das Bild links zeigt einen Ausschnitt aus einem amtlichen Bebauungsplan von 1959. Oben ist die Harzer Straße, rechts die Teupitzer Straße. Man kann an den Straßen die Hausnummern erkennen. Die schraffierten Flächen sind Gebäude auf dem Grundstück; die röm. Zahl nennt die Geschossanzahl.

Man erkennt aus dem Bild, dass das Stabilhaus großteils zerstört ist. Man hat nach dem Krieg die Trümmer beseitigt und die freie Fläche an einen Kohlenhändler vermietet.
Dagegen waren der Bau in der Grundstücksmitte (neben dem Schornstein auf den Bildern) und die Nebengebäude zwar beschädigt, aber noch teilweise erhalten. Sie wurden nach dem Krieg durch Holzaufbauten notdürftig repariert und wieder benützbar gemacht.
Die Geschäftsräume und ein Ausstellungsraum befanden sich in den 60er Jahren im mittleren Gebäude im Obergeschoss. Dort konnte man, zumindest in den End-60er Jahren, auch Produkte der Firmen Hauser, Carrera und Faller ausgestellt finden, für die Torsten Walther, der letzte Firmeninhaber, ebenfalls Handelsvertreter war.

Mit dem Ende der Produktion der Stabil-Baukästen 1970 wurde auch das Grundstück in der Harzer Straße aufgegeben. Die alten Fabrikgebäude wurden abgerissen, und kurz darauf wurde das Gelände mit neuen Wohnblocks bebaut. Ein amtlicher Plan mit den neuen Gebäuden aus dem Jahr 1970 ist bekannt.

Von der ehemaligen Stabilfabrik ist heute nichts mehr übrig.

Ich danke dem Bauamt Neukölln und den Erben von Walther & Co für die freundliche Überlassung von Informationen zur Historie des Grundstückes.

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