Stabil : Informationen aus statistischen Daten
Statistik erhalten gebliebener Kästen
Jürgen Kahlfeldt hat über 650 gefundene Stabil-Baukästen untersucht und
daraus eine Tabelle angefertigt, die aussagt, wie viele Kästen davon welchen
Produktionsjahren zugeordnet werden können.
Es wurden Zahlen angegeben, damit man daraus die statistische Sicherheit
beurteilen kann.
Zuerst müssen aber noch einige Vorbemerkungen zur Tabelle erfolgen.
- Es wurden nur Grundkästen und Ergänzungskästen aufgenommen,
weil nur diese im gesamten Zeitraum repräsentativ waren.
Die Kästen 54 und 55 sind enthalten, obwohl es sie ab 1950 nicht mehr gab.
- In den Jahren 1911-1926 enthielten die Kästen keinen Datumsstempel.
Deshalb kann deren Produktionsdatum nur aus den Teilen und den Vorlagenheften
ermittelt werden. Dabei ist eine Toleranz von +-1 Jahr anzunehmen.
- In den Jahren 1944-1949 wurden keine Kästen produziert. Diese Jahre
fehlen auf der X-Achse.
- Nach 1966 waren wieder keine Datumsstempel in den Kästen zu finden.
Die Kästen der Jahre 1967 bis 1970 sind über der Jahreszahl 1967
aufsummiert.
- Die Zahlenwerte der Jahre 1911-1943 dürfen nicht mit den Zahlen ab 1950
verglichen werden. Man kann einfach nicht abschätzen, welche Verluste
durch Kriegseinwirkungen abzuziehen wären.
Nach einem mäßigen Anstieg bis 1914 folgte ein Rückgang in den Jahren des
Ersten Weltkriegs. Ab 1918 erfolgte ein leichter Anstieg, der bis 1923
blieb oder leicht zurück ging. Mit der Einführung der Rentenmark 1924 ging es
dann aber rasant aufwärts. Zwischen 1925 und 1928 konnte die Firma ihre
Produktion versechsfachen. 1928 dürfte es die größten Gewinne
gegeben haben.
1929 begann die Weltwirtschaftskrise, die bis 1932 zu einer Verarmung der
Bevölkerung führte. Entsprechend sackten die Produktionszahlen 1932 auf einen
Stand wie um 1925. Es gab danach wieder einen Anstieg, auf den aber ein
Einbruch 1936 folgte.
Die in dieser Zeit einsetzende Zwangsorganisation der Jugend, mit dem Ziel sie
tauglich zu machen für den großen geplanten Krieg, mag dazu beigetragen haben,
dass das Interesse an Ingenieurtechnik in den Hintergrund trat.
Der Einbruch 1940 ist dann auf den Kriegsbeginn zurückzuführen.
In den 50er Jahren gab es zunächst eine hohe Nachfrage, die sich schnell
wieder normalisierte. Bis 1956 stieg die Produktion, ging danach aber stetig
zurück. Um 1966 versuchte man noch einmal, die Kästen in Großmärkten zu
verkaufen, was anscheinend wieder höhere Produktionszahlen brachte.
Nach 1966 ging die Produktion stark zurück, was zum Ende von Stabil führte.
Die Zahlen der Funde haben durchaus einen Zusammenhang mit den Produktionszahlen.
Das Verhältnis (Anzahl Funde) : (Produktionszahl) ist jedoch 1911-1943
ein anderes als in den Jahren ab 1950. Die Anzahl der im Krieg vernichteten
Kästen wären von den Produktionszahlen aus den Jahren 1911-1943 abzuziehen,
wenn die Verhältniszahlen gleich sein sollen.
Wenn man nun die geschätzten Umsatzzahlen und Produktionszahlen von
1930 mit der obigen Tabelle in
Beziehung setzt, kann man auch die geschäftliche Entwicklung von 1911-1943
abschätzen.
Kasten | 49 | 49a | 49M | 50 | 50a |
50M | 51 | 51a | 52 | 52a | 52b |
53 | 53a | 53b | 54 | 54a | 55 |
Anzahl | 71 | 80 | 7 |
126 | 93 |
5 | 66 | 76 | 43 | 34 | 1 |
19 | 17 | 1 | 4 | 5 | 3 |
Die Tabelle rechts zeigt, wie häufig die verschiedenen Kastengrößen
aufgefunden wurden.
Hier sind jedoch einige Bemerkungen sehr wichtig.
Sammler suchen wertvolle Kästen. Deshalb nimmt ein Sammler nicht jeden
kleineren Kasten, besonders wenn dieser nur in einem jämmerlichen Zustand
angeboten wird.
Viele kleinere Kästen sind schon in der Kindheit des Erstbesitzers
verloren gegangen. Sie wanderten in Bastelkisten oder wurden entsorgt.
Größere Kästen dagegen wurden aufgehoben.
Das erklärt, warum nur so wenige Kästen 49 noch vorhanden sind.
Auch sind mehr Ergänzungskästen 49a vorhanden als Grundkästen 49.
Die Verpackung eines Kastens 49 war bald zerschlissen und wurde entsorgt.
Die Teile wurden danach im Karton des 49a aufbewahrt.
Offensichtlich war der Kasten 50 ein beliebter Einstiegskasten, der dann
mit einem 50a und später noch mit einem 51a erweitert wurden. Dass es mehr
Kästen 51a gibt als Grundkästen 51, begründet die vorige Annahme.
Statistik der örtlichen Verbreitung von Stabil
Land | Region | Einwohner 1937 in Tausend |
Modelle 1919- 1940 |
Modelle pro Million Einwohner |
%-Satz vom Durch- schnitt |
Brandenburg | O |
2898 | 59 | 20.4 | 107 |
Berlin | O |
2692 | 192 | 71.3 | 373 |
Baden-Württemberg | S |
5255 | 20 | 3.8 | 20 |
Bayern | S |
7395 | 66 | 8.9 | 47 |
Hansestadt Bremen | N |
462 | 19 | 41.1 | 215 |
Hessen | W |
3487 | 28 | 8.0 | 42 |
Hansestadt Hamburg | N |
1297 | 29 | 22.4 | 117 |
Mecklenburg-Vorpommern | N |
4147 | 62 | 15.0 | 78 |
Niedersachsen | N |
5514 | 97 | 17.6 | 92 |
Nordrhein-Westfalen | W |
10647 | 164 | 15.4 | 81 |
Rheinland-Pfalz | S |
2433 | 29 | 11.9 | 62 |
Schleswig-Holstein | N |
2100 | 69 | 32.9 | 178 |
Saarland | S |
689 | 2 | 2.9 | 15 |
Sachsen | O |
4837 | 183 | 37.8 | 198 |
Sachsen-Anhalt | O |
3605 | 50 | 13.9 | 73 |
Thüringen | O |
2550 | 64 | 25.1 | 131 |
Ostpreußen | O |
2300 | 44 | 19.1 | 100 |
Schlesien | O |
4700 | 103 | 21.9 | 115 |
Regionale Zusammenfassung | |
Nord |
13521 | 276 | 20.4 | 107 |
Ost |
23583 | 695 | 29.5 | 154 |
Süd |
15772 | 117 | 7.4 | 39 |
West |
14134 | 192 | 13.6 | 71 |
Deutschland |
67010 | 1280 | 19.1 | 100 |
Ausland |
| 64 | | |
unbestimmt |
| 34 | | |
Summe Modelle |
| 1378 | | |
Jürgen Kahlfeldt hat die veröffentlichten Daten aller bisher bekannten Gewinner
von Geldpreisen und von Trostpreisen bei Stabil-Wettbewerben in einer Tabelle
aufgenommen.
Durch die Zuordnung der angegebenen Anschriften der Teilnehmer lässt sich nun
ermitteln, wie die Verteilung der Gewinner auf die heutigen Länder
und auch auf die damalige Bevölkerung aussah.
Das Ergebnis sehen Sie in der Tabelle links.
Am wichtigsten ist dabei die Anzahl der Modelle aus den Jahren 1919-1940
pro Million Einwohner in dem entsprechenden Land.
In der letzten Spalte erkennt man, in wie weit der Wert für das entsprechende
Land vom Durchschnitt abweicht.
Werte über 100 kennzeichnen mehr Stabil-Gewinner als woanders und damit
auch mehr Stabil-Baukästen als in anderen Ländern.
Ein Wert von 100 entspricht dem Durchschnitt.
Bei der regionalen Zusammenfassung erkennt man, dass Stabil im Norden und
besonders stark im Osten verbreitet war.
Die Selbst-Beschränkung der Firma Walther
"Von Meccano lernen" war sicher kein Wahlspruch der Firma Walther, aber man
beobachtete die englische Firma doch sehr genau.
Man muss dabei allerdings die Größenordnungen der Firmen Meccano und Walther sehen.
Die englische Firma Meccano hatte sich im Laufe der Zeit zu einem Weltkonzern
entwickelt, nicht nur mit Metallbaukästen, sondern auch mit Flugzeug-Baukästen,
Eisenbahnen, ja sogar mit einer Jugendzeitschrift (dem Meccano Magazin).
1932 waren 1100 Personen allein in der Fertigung beschäftigt
[MM 1932/10].
Meccano-Metallbaukästen waren Marktführer in jedem Land, nur nicht in
Deutschland. Das Meccano-Vermögen in Deutschland war ja 1914 als Feindvermögen
vom Deutschen Reich eingezogen worden.
Die Firma Walther war dagegen nur ein kleines mittelständisches
Familienunternehmen, dem es gelang, den Markt in Nord- und Ostdeutschland mit
Metallbaukästen als Marktführer zu versorgen. Von 150 saisonal zeitweilig
Beschäftigten ist 1930 die Rede. Walther hatte dabei immer einen
starken Konkurrenten, nämlich die Firma Märklin. Diese Firma war Marktführer
im Süden, und sie war ein alteingesessenes Spielwarenunternehmen, für das die
Metallbaukästen nur ein Produktbereich waren, neben Eisenbahnen, Auto-Baukästen
und vielem Anderen.
Bei dieser finanziellen Ausstattung konnte Walther nicht die Aktivitäten
entwickeln, wie etwa Meccano. Die Herausgabe einer Zeitung, wie die
Stabil- und Record-Zeitung, erforderte etwas mehr leitendes Personal, als die
Familie Walther allein hätte aufbringen können. Die Redaktion gab man an
Franz Ruschke, der diese Aufgabe offenbar als externer Mitarbeiter
erledigte.
Es gab eine Propaganda-Abteilung, die u.a die Wettbewerbe organisierte.
In der Stabil- und Record-Zeitung taucht daneben noch der Name
Ernst Torgau auf, der für die Firma Walther als Prokurist gearbeitet hat.
Nach dem Krieg hat es ihn nach Schwabach verschlagen. Von dort aus kam er
jahrelang als Messehelfer zu Walther auf den Stand der Nürnberger
Spielwarenmesse.
Weiterhin war Gustav Boehme als beratender Ingenieur bei der Firma
Walther tätig. Sein Name taucht in der Liste der
Preisrichter für die
Stabil-Wettbewerbe mehrfach auf.
1932 verließ er Berlin und trat in die Firma Markes & Co in Lüdenscheid als
Prokurist ein - er hatte 1932 eingeheiratet
[DSZ 1934, S.43].
Er wurde Teilhaber der Firmen Markes & Co in Lüdenscheid und, zusammen
mit Markes, Teilhaber der Firma Dr.-Ing. Boehme & Co in Minden.
So konnte er seine Ideen eines Flugzeug-Baukastens und eines Auto-Baukastens
verwirklichen.
Ab 1939 hatte er dann den Metallbaukasten DUX im Programm, der allerdings mit
Stabil nur wenig gemeinsam hat.
Es gibt zu Boehme aber auch eine dunkle Seite.
Die Zusammenhänge sind noch nicht genug erforscht.
Das linke Bild ist von 1931, wo er als Preisrichter bei Stabil tätig war.
Das rechte Bild wurde 1964 veröffentlicht anlässlich seines 65. Geburtstags.
[DS 1964 S.662]
Die Firma Markes & Co war zeitweise schon seit 1916 Zulieferer für Einzelteile
an die Firma Walther [DSZ 1954 S.463].
Franz Ruschke hat später ebenfalls für Markes & Co gearbeitet.
Bekannt ist noch ein Herr Werner Nicolai, der ab etwa Mitte der 30er
Jahre als Handelsvertreter für die Firma Walther tätig war. Er war auch auf den
Spielwarenmessen in Nürnberg regelmäßig anwesend. Bis kurze Zeit vor dem Ende
der Produktion arbeitete er für die Firma Walther. Da stand er dann schon kurz
vor seiner Pensionierung.
Offensichtlich war die Firma Walther überfordert, einen Stabil-Baukasten-Verein
nach dem Muster von "Richters Anker-Steinbaukasten-Verein" oder gar der
"Meccano Guild" zu organisieren.
Es wären hohe Personalkosten erforderlich gewesen. Man hätte auch die
Stabil- und Record-Zeitung stärker in die Organisation des Vereins einbinden
müssen.
Nach allen bisherigen Beobachtungen war das Familienunternehmen - zumindest
nach dem Tod von Franz Walther im Jahr 1931 - nicht auf eine weltweite Expansion
aus. Man war froh, in Deutschland eine gesicherte Marktposition zu haben.
Obwohl die Expansion der Jahre 1925-1930 enorme Gewinne brachte, ergab sich
ab 1931 doch ein fortlaufender Abstieg aufgrund der Weltwirtschaftskrise.
Man dachte immer mehr an Sparmaßnahmen.
1932 wurden sogar die Wettbewerbe bis 1936 eingestellt.
Die Stabil- und Record-Zeitung wurde nicht mehr herausgegeben. Messingteile
wollte man um 1936 durch Aluminium ersetzen, was die Kunden verärgerte.
Man ging darauf, zumindest bei einigen Teilen, wieder zurück zu Messing.
Die kleinen Kästen wurden dagegen besonders gefördert, denn für diese gab es die
meisten Kunden, und mit denen machte man die meisten Gewinne.
Die großen Kästen wurden dagegen vernachlässigt. Es gab bis zum Ende der
Produktion (1970) keine nennenswerten Änderungen an den größeren Kästen mehr.
Was man dagegen aus der Firma Walther hätte machen können, was Franz Walther
bestimmt auch getan hätte, erahnt man beispielsweise am Werdegang der Firmen
von Gustav Boehme in Minden und Lüdenscheid.
Für die Beschaffung vieler Informationen zu den Wettbewerben und deren
statistischer Auswertung danke ich ganz herzlich Jürgen Kahlfeldt.
Er hat auch die Statistik über 650 bekannte Kästen zusammengestellt und die
Daten in einer Tabelle zur Verfügung gestellt.
Daraus entstand dann eine Graphik.
Ohne Jürgens Hilfe gäbe es diese Informationen hier nicht.
Zu Boehme danke ich M.K.
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