Der Zimmermann-Baukasten
Franz Walther's erstes System war ein Holzbaukasten mit Metallverbindern,
den wir nur aus dem
Patent von 1903 kennen.
Wir wissen nicht einmal, ob dieser Baukasten jemals verkauft wurde.
Ich habe diesem System den Namen Zimmermann-Baukasten gegeben. Denn
dieses System sollte den Kindern das Handwerk des Zimmermanns nahebringen,
indem mit regelmäßig gelochten Balken Häuser konstruiert werden konnten.
Im Patent wird darauf hingewiesen, dass die Bauelemente in verschiedenen
Modellen als Balken, Sparren, Riegel, Schwelle usw. verwendet werden können.
Die Bilder oben zeigen den Aufbau einer Balkenkonstruktion. Aus gleichmäßig
gelochten Holzleisten mit quadratischem oder rechteckigem Querschnitt und mit
U-förmig gebogenen Blechteilen, sowie Verbindungsstiften können fachwerkartige
Konstruktionen errichtet werden.
Die Bohrungen entlang der Längsseiten der Balken müssen nicht überall
durchgebohrt sein, sie müssen aber über die Mitte hinaus versenkt sein (siehe
Fig.8).
Zwei um 90° versetzte Querbohrungen müssen sich in der Mitte treffen.
An den Stirnseiten der Balken ist weiterhin eine Längsbohrung bis zur
zweiten Querbohrung durchgeführt (siehe Fig.5).
Alle Bohrungen gehen mehrere Millimeter über den Schnittpunkt hinaus, damit
Stift- und Splintspitzen der metallenen Verbinder darin Platz finden.
An der Unterseite, an jeder der vier Ecken, wird die Balkenkonstruktion
durch einen aus Blech gefertigten Schuh (siehe Fig.2 und Fig.3)
zusammengehalten, der unten und innen gelocht ist.
Verbunden werden die Balken durch Stifte mit einem Nagelkopf, die an der
Spitze ein Loch haben (siehe links).
In das Loch des Stiftes wird ein kurzer Splint gedrückt.
Auf diese Art werden die Balken zusammen gehalten (siehe Fig.6).
Im Patent sind verschiedene Splinte beschrieben. Es sind denkbar solche mit
Schraubverbindung, mit Drehverschluss, mit Keilverklemmung oder Splinte,
die am Kopf kegelförmig und an der Spitze oval sind und so im Stiftloch
einschnappen können.
Will man mehrere Balken miteinander verbinden, so kann man einen Metallstift
mit zwei Löchern und zwei Splinten verwenden (siehe links).
Wie diese Verbindung erfolgt, ist in Fig.7, Fig.8 und Fig.5 gezeigt.
Aus Details im Zusatzpatent (insbes. 2. Patentanspruch) nehme ich an,
dass im eventuell realisierten Kasten die Stifte an den oberen und den
unteren vier Ecken des Hauses durch Schrauben ersetzt wurden.
An Stelle der Splinte hat man Muttern in die Löcher der Balken eingeführt.
Dazu mussten die Löcher in den Balken teilweise zu Schlitzen verbreitert werden.
Anstelle der Metallstifte mit zwei Löchern wäre eine Gewindewelle denkbar.
Aber es ist wahrscheinlicher, dass alle Verbinder, die keine größere
Belastung aushalten müssen, einfach durch stramm sitzende Holzstifte ersetzt
wurden; so wie es später im Record Holzbaukasten erfolgte.
Das Bild oben zeigt eine Dachsparren-Konstruktion, die ebenfalls im Patent
beschrieben ist.
Die Sparren selbst haben einen rechteckigen Querschnitt und sind regelmäßig
mit durchgehenden Bohrungen versehen.
Die Sparren werden durch geformte Blechschuhe am unteren Balken befestigt.
Am First werden die Sparren durch ein anderes Blechstück zusammengefügt.
Walther hat intensiv an dem Baukasten gearbeitet, denn sonst hätte er nicht
noch das
Zusatzpatent von 1904 angemeldet, in dem Dachkonstruktionen
mit Giebel für seinen Baukasten beschrieben werden.
Das Bild links ist nur ein Detail aus dem Patent. Der linke Bildteil ist ein
Schnitt durch den Giebel, der rechts davon gezeigt wird.
Die Giebelwand hat oben ein Fenster. Ein Blechhaken h,
der oben am Fenster angreift, hält mit einer Schraube den Firstbalken.
Unten ist der Giebel auf die Sparrenschwellen e aufgesetzt.
Die Sparrenschwellen sind durch Blechhaken auf den oberen Balken der Hauswände
befestigt. Ein weiteres Blechstück als untere Halterung der Brettchen v
ist ebenfalls an der Sparrenschwelle festgeschraubt.
Die Brettchen v bilden das eigentliche Dach. Sie sind oben in den Nuten w
der Firstpfette gelagert.
Offensichtlich hat man bei diesem Patent die oben beschriebene
Sparrenkonstruktion nicht berücksichtigt. Das bedeutet eine leichte Abkehr
vom Zimmermann-Lehrspiel hin zum anspruchsvollen Häuserbaukasten.
Leider wurde bisher noch keiner dieser Baukästen aufgefunden.
Es wäre interessant herauszufinden, welche Teile der beiden Patente letztlich
vermarktet wurden.
Gerade weil aber keine derartigen Kästen oder Häusermodelle erhalten sind,
darf man annehmen, dass dieses System nicht besonders erfolgreich war.
Es ist auch in keinem bekannten Prospekt der Firma Walther erwähnt.
M.K. ist sogar überzeugt, dass es den Kasten gar nicht gab. Er schreibt, dass
Franz Walther in das Spielzeug-Business einsteigen wollte und daher auch
Patente als Verkaufs- und Qualitätsargumente benötigte.
Da die grundlegenden Ideen bereits patentiert waren (Lilienthal, Korbuly usw.)
habe er etwas aus dem Zimmermanns-Handwerk "importiert", um dem Patentamt
irgendeine patentierungsfähige Neuheit präsentieren zu können.
Dazu passe, dass die Patente bei den Record-Kästen herausgestellt wurden,
obwohl keine der speziellen "Zimmermanns"-Ideen in RECORD je umgesetzt wurden.
Wenn man Franz Walthers
Patent von 1903 mit dem
Lilienthal-Patent von 1888
und insgesamt mit dem
Modellbaukasten vergleicht,
so erkennt man, dass Franz Walther einige Ideen von Gustav Lilienthal
übernommen und verbessert hat.
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